Mittwoch, 7. Februar 2018

Ungarn wieder ganz unten auf der Liste. Diesmal beim Gesundheitswesen.



Eva S. Balogh – Hungarianspectrum - 2. Februar 2018

Das Health Consumer Powerhouse hat soeben den „Euro HealthConsumer Index“ (EHCI) für 2017 veröffentlicht und Ungarn rangiert fast am Ende der Liste von 31 europäischen Ländern. Das Land, das sich diese Ehre mit Polen teilt, liegt mit 584 von 100 Punkten auf Platz 29. Ungarn blieb sogar hinter Montenegro (623 Punkte) und Albanien (596 Punkte) zurück. Nur Rumänien, Litauen und Griechenland schnitten schlechter ab als Ungarn.

Lassen Sie mich hier wiedergeben, was die Autoren des EHCI über die Gründe für die katastrophale Entwicklung des polnischen und ungarischen Gesundheitssystems zu sagen hatten. Nachdem sie festgestellt hatten, dass diese beiden Länder „trotz guter und ausreichender medizinischer Ausbildungsmöglichkeiten und einer langen Tradition des solidarisch finanzierten staatlichen Gesundheitswesens“ bei den jährlichen EHCI-Berichten schlecht abschnitten, gaben die Autoren ihrer Verwirrung über die Gründe für die schlechten Ergebnisse Ausdruck. Schließlich stellten sie die Hypothese auf, dass sich die Regierung „in den letzten Jahren anscheinend auf eine andere Agenda konzentrierte als auf das optimale Funktionieren des Landes; auf Dinge wie die Auslöschung der freien Presse, die politische Infiltration des Justizsystems, die Ablehnung äußerst bescheidener Migrantenquoten und ein Abtreibungsverbot unter allen, außer den extremsten Umständen". Letztere Behauptung gilt nur für Polen; in Ungarn ist der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch immer noch möglich. Der Bericht stellt weiters fest, dass „die laufenden politischen Diskussionen über grundlegende Reformen in Polen und Ungarn bisher wenig gebracht haben“ und dass „die Öffentlichkeit und die Ärzteschaft Besseres verdienen“.
Wartezeiten: Lendenwirbelsäulen-OP 416 Tage,
OP am offenen Herzen 210 Tage, Hüftprothese 271 Tage

Diese Erklärung für die Unzulänglichkeiten des ungarischen Gesundheitssystems ist zu vereinfachend. In ihrer Zusammenfassung erwähnen die Autoren jedoch einige allgemeine Aspekte erfolgreicher Gesundheitssysteme, die in Ungarn fehlen. Zu den schlimmsten Problemen im ungarischen System gehören die schrecklich langen Wartelisten. Geld in die Gesundheitsversorgung zu stecken, würde nicht automatisch zu einem effizienteren System führen. Laut EHCI gibt es „keinen Zusammenhang zwischen dem Zugang zur Gesundheitsversorgung und den Kosten“. Es sei von Natur aus billiger, ein Gesundheitssystem ohne Wartelisten zu betreiben als mit Wartelisten, behaupten sie. Und hier kommt etwas, das ungarische Gesundheitsdienstleister nur schwer schlucken können: „Das Gesundheitswesen ist im Grunde genommen eine Prozessindustrie. Wie jeder professionelle Manager aus dieser Branche weiß, sind reibungslose Abläufe mit einem Minimum an Unterbrechungen oder Unterbrechungen der Schlüssel dazu, dass die Kosten niedrig bleiben.“

Obige Feststellung ist für die meisten Ärzte sowie für rechte ungarische Politiker ein Gräuel. Als Viktor Orbán noch in der Opposition war, erklärte er nachdrücklich: „Gesundheit ist kein Geschäft“. Und ich bin mir sicher, dass die meisten ungarischen Ärzte dagegen protestieren würden, wenn man ihren Beruf als in der „Prozessindustrie“ angesiedelt bezeichnen würde. Sie lehnen sogar die Vorstellung des Health Consumer Powerhouse ab, dass die Gesundheitsversorgung von den Konsumenten bewertet werden solle. István Éger, Präsident der Ungarischen Ärztekammer, korrigierte György Bolgár, den bekannten Talksendundsmoderator heute Nachmittag im Klub-Rádió: „Wir hab mit Patienten und nicht mit Konsumenten zu tun.“
Und so humpelt das ungarische Gesundheitssystem auf unwirtschaftliche Art und Weise mit Patienten, die stunden- oder wochenlang warten und auf die Gnade überlasteter Ärzte angewiesen sind, dahin. Da sich der Berufsstand der Ärzte weigert, seine Patienten als Konsumenten zu betrachten, ist das Gesundheitssystem einfach nicht darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse der Patienten zu befriedigen. Solange diese Haltung vorherrscht, wird sich wenig ändern.

Selbst in einem relativ armen Land ist es möglich, fast augenblickliche und dramatische Verbesserungen zu erreichen. Das Beispiel, das EHCI bringt, ist Montenegro, das innerhalb eines Jahres von Platz 34 auf Platz 25 (623 Punkte) vorrückte, indem es ein eigenes System eines offenen, transparenten integrierten Echtzeit-Gesundheitsversorgungssystems einführte, das die Wartezeiten radikal reduzierte. Oder da ist die Slowakei, die ihre Punktzahl in einem Jahr um 71 Punkte verbessert hat. Einer der Gründe für diese deutliche Verbesserung könnte die Einführung eines Systems von privaten Zusatzversicherung gewesen sein.

Die Studie ist 100 Seiten lang und geht auf fast alle Aspekte ein, die mit der Gesundheitsversorgung zu tun haben. Während Ungarn zum größten Teil entweder am unteren Ende oder in den "so-lala"-Kategorien liegt, gibt es eine Reihe von Bereichen, in denen Ungarn führend ist: Impfungen für Säuglinge und Kinder sowie Leibeserziehung in der Schule. Der Bericht ist randvoll mit Statistiken, die es wert sind, studiert zu werden.

Vergeblich suchte ich nach einer Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der EHCI in den Fidesz-Propagandamedien. Nur wenige unabhängige oder regierungskritische Medien berichteten über die tristen Ergebnisse. In der regierungsfreundlichen Tageszeitung Magyar Idők erschien am 28. Dezember der letzte Artikel über das Gesundheitswesen mit dem Versprechen, dass „im nächsten Jahr die Zahl der Menschen, die auf chirurgische Eingriffe warten, weiter reduziert wird“. Aber in einem Artikel mit dem Titel „Liebe Fidesz, nicht Soros, sondern der Sensenmann muss gestoppt werden!“ erfuhr ich, dass sich die Wartezeiten in den letzten zwei Monaten tatsächlich verlängert haben.

Péter Juhász von Együtt beschloss kürzlich, sich genauer über das Krankenhausessen zu informieren. Ein Freund von ihm, der in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, schickte ihm jeden Tag seine Mahlzeiten (im Tausch gegen Essen von außerhalb). Das Krankenhausessen war von schlechtester Qualität und Menge und es fehlte eindeutig an Vitaminen. Juhász hat sein Experiment zehn Tage lang durchgehalten und einiges an Gewicht verloren.

Csaba Molnár, stellvertretender Vorsitzender der Demokratikus Koalíció, nutzte den EHCI-Bericht für den Wahlkampf: „Während der Gyurcsány-Regierung lag Ungarn vor Italien, Spanien und Irland, jetzt sterben die Patienten im Korridor der Notaufnahme.“ [Vor kurzem gab es einen solchen Fall.] Die Verschlechterung der Zustände in Ungarn in den letzten acht Jahren war in der Tat atemberaubend. Laut „Euro Healthcare Consumer Index 2008“ lag Ungarn von den 31 Ländern auf dem 13. Platz, gleich hinter Finnland, Frankreich, Estland, Belgien und dem Vereinigten Königreich und vor Italien und Spanien sowie 17 weiteren Ländern. Polen war damals schon auf dem Tiefpunkt angelangt.

Angesichts dieser drastischen Verschlechterung, sollte die von der EHCI-Bericht von den Oppositionsparteien viel stärker beachtet werden, insbesondere in diesem Jahr, wenige Monate vor den Parlamentswahlen. Der eklatante Unterschied zwischen 2008 und 2018 muss hervorgehoben und dem ungarischen Volk nahegebracht werden. Viele von ihnen scheinen vergessen zu haben, dass die Zeiten vor Viktor Orbán nicht so trostlos waren wie die gegenwärtige Regierung und sogar einige Oppositionspolitiker versuchen, sie darzustellen. Und nicht nur im Gesundheitswesen.

2. Februar 2018

Übersetzung von Pusztastranger

Montag, 29. Januar 2018

Orbán, der Pate



Laut Vorjahresstand wurden von Orbán und seinen Kumpanen rund 4 Billionen Forint (~ 3.225.806.451 EUR) für teils sehr fragwürdige Projekte aufgewendet. Ein Großteil des Geldes floss dabei in die Taschen der eigenen Klientel bzw. der Strohmänner Orbáns. 2017 war dann die EU-Korruptionsbehörde OLAF in Ungarn, um sich umzusehen, und stellte fest, dass z. B. die EU-Förderung für Orbáns Spielzeugeisenbahn refundiert werden muss, weil man beim Förderungsantrag ganz einfach gelogen hatte. Die folgende Aufzählung ist nur eine Kostprobe davon, wie viel an Geld die Orbán-Maffia schon in der Tasche hat, dabei sind z. B. die 59 Löcher, die man bei Bicske für 588 Mio. Forint ausgehoben hat, noch gar nicht berücksichtigt.



Ex-Verteidigungsminister Csaba Hende 2015, bei der Inspektion des GYODA (schnell anzubringendes Drahthindernis) an der ungarischen Südgrenze.
Quelle: 24.hu

- Schmalspurbahn in Orbáns Heimatdorf Felcsút (Verlängerung bis Bicske geplant, kein Fahrgastaufkommen, zum großen Teil EU-Geld) – 850.000.000,-
- Verlegung des Orbán-Amtssitzes in die Budaer Burg (es wurde ein z. B. ein Aussichtsbalkon für sein Büro gebaut) – 19.000.000.000,-
- „Propagandaministerium“ unter der Leitung von Antal Rogán (der auf die Hochzeiten von volkstümlichen Schlagerstars mit dem Hubschrauber anreist) – 24.000.000.000,-
- Grenzzaun an der Südgrenze Ungarns (übrigens wurde dadurch die Westblindmaus ausgerottet, die letzten 400 Exemplare lebten im ungarisch-serbischen Grenzgebiet) –22.000.000.000,-
 - Verluste bei Brokergeschäften des Landwirtschaftsministers Sándor Fazekas – 1.400.000.000,-
- Offshore-Gasgeschäfte der Ungarischen Energetischen Gesellschaft MET – 100.000.000.000,-
- Magyar Kereskedőház Zrt. – Aktiengesellschaft unter dem Einfluss des Außenministers Szijjártó für Geschäfte mit Russland – 2.400.000.000,-
- „Unterstützung“ des US-Kongressabgeordneten C. Mack – 1.400.000.000,-

- Unterstützung des Fußballteams Fk Csíkszereda (Miercurea Ciuc) in Siebenbürgen/Rumänien – 1.200.000.000,-
- Századvég (Fidesz-Meinungsforschungsinstitut; Umfragen 2014) – 1.400.000.000.-
- Galerie KOGART (gehört einem Fidesz-nahen Geschäftsmann; jährliche Förderung 200 Mio.) – 600.000.000,-
- Mobilfunknetz 450 Mhz (C-Netz; wurde vom Staat erworben und wird von ihm betrieben und von niemandem benutzt) – 13.000.000.000,-
- Fachbuch für Kaninchenzucht – 31.000.000,-
- Förderung von „Publikumssportarten“ (Fußball) – 190.800.000.000,-
- Förderung der Fußballmannschaft Felcsút (Orbáns Heimatort) – 9.200.000.000,-
- Konkurshilfe für Privatkonkurse (funktioniert nicht) – 626.000.000,-
- Arbeitsplatzbeschaffung (0 Arbeitsplätze geschaffen) 300.000.000,-
- MTK-Stadion (Budapester Fußballklub) 1.530.000.000,-
- Verstaatlichung privater Rentenkassen (Vor 7 Jahren wurde allen Privatversicherten gedroht, wenn sie nicht in die staatliche Versicherung umsteigen würden, bekämen sie später überhaupt keine Pension) 3.000.000.000.000,-
- MNB – die Ungarische Nationalbank finanzierte Fidesz-Spontanprojekte – 30.000.000.000,-
- Staatliches Fernsehen- und Radio – 100.000.000.000,-
- Offshoreverkauf von Staatsanleihen 27.000.000.000,-
- Villenkauf – 1.000.000.000,-
- Roma-Minderheitenselbstverwaltung (Fidesz-Vertrauter und Vorsitzender Flórián Farkas hat Minderheitenförderungen einfach in die eigene Tasche gesteckt) – 1.500.000.000,-
- Győri Tibor (Geschäftspartner des Orbán-Kickls Arpád Habony, seit 2010 Berater Orbáns, diverse Medienmachenschaften) – 4.400.000.000,-
- MMA – Ungarische Kunstakademie und ihr Vorsitzender György Fekete (linientreue Künstlervereinigung) 6.500.000.000,-
- Zöld Erdély Egyesület – Verein für ein grünes Siebenbürgen (hat noch nichts gemacht, aber schon Geld verbraucht) – 11.200.000,-
- Leslie Mandoki Konzert (der Spiritus Rector der Disco-Pop-Gruppe Dschinghis Khan und persönlicher Freund Orbáns, mit dem er laut eigener Auskunft über Philosphie diskutiert) – 100.000.000,-
- Haus des Gremiums der Corvin Lánc (die Corvin-Kette erhalten linientreue Wissenschafter) – 1.000.000.000.-
- Kulturelle Programme in Siebenbürgen – 1.470.000.000,-
- Banater Tage der ungarischen Kultur – 150.000.000,-
- Olympiazentrum (wird ja gebaut, obwohl die Bewerbung für die Olympiade zurückgezogen wurde) – 40.000.000.000,-
- Jüdisches Haus der Erinnerung (Projekt der Orbán-Hofhistorikerin Mária Schmidt; wird in der geplanten Form von den jüdischen Organisationen abgelehnt) – 4.700.000.000,-
- MKB Bank (Ungarische Handelsbank, Hausbank der Regierung) – 300.000.000.000,-
- Unterstützung der ungarischsprachigen Pfarrer im Ausland – 420.000.000,-
- Fidesz - KDNP Autoflotte – 6.000.000.000,-
- Nationale Infokommunikationsstrategie – 1.400.000.000,-
- Filmerlebnispark Ózd – 1.000.000.000,-
- Brien Bar Konzert (43 verkaufte Karten! – eine eigenartige Veranstaltungsreihe im Dunstkreis der Corvinus Uni [früher Wirtschaftsuni Budapest]) – 100.000.000,-

- Wohnpark Ócsa (Häuser für Menschen, die ihre Frankenkredite nicht zurückzahlen konnten; steht praktisch leer) – 2.400.000.000,-


Quelle: atlatszo.hu; http://www.sztarklikk.hu/kozelet/orbanek-eddig-4-ezer-milliardot-loptak/318755

Freitag, 29. September 2017

Und wieder mal jüdische Weltverschwörung...

Orbán befragt wieder mal sein Volk, wie er das schon zweimal getan hat. Seine Fragebögen, die an jeden Wahlberechtigten in Ungarn gehen, sind Stimmungsmache und Propaganda voller rhetorischer Fragen und Lügen. Es wird bei der anstehenden "Nationalen Konsultation" nach dem "Soros-Plan" gefragt, der das erste Mal vom Parlamentspräsidenten Kövér vor einigen Monaten erwähnt wurde. Laut diesem Plan würden heuer rund um den Jahrestag des Ungarischen Volksaufstands 1956 (23. Okt.) von ausländischen Agenten und Personen, die im Sold Soros' stehen (Soros-bérenc), Unruhen angezettelt. Was im internationalen Diskurs nicht wirklich präsent ist, dessen ist man sich in Ungarn vollends bewusst: György Soros, in Budapest aufgewachsen, ist Jude, der den Holocaust überlebt hat. Er ist also Teil der "jüdischen Weltverschwörung", die Ungarn ruinieren will. Erstaunlich ist, dass man im Ausland nicht erkennt, dass hier sehr alte antisemitsche Klischees aufgefahren werden, geradezu skandalös ist, dass Politiker wie Kurz und Strache in Österreich Orbán als Vorbild sehen. Hier folgen nun die 7 Fragen zum "Soros-Plan". [Es gibt auch Erläuterungen auf dem Fragebogen, diese werden von uns später übersetzt und ergänzt.]

"Sie waschen ihre Hände in Unschuld!"
Antisemitisches Plakat von Manno
Miltiadesz 1919. Dass "die Juden"
das "arme Ungarnland" zerstören wollen,
ist ein sehr altes antisemitisches Motiv und
wird mit dem "Soros-Plan" wieder einmal bemüht.
1.) George Soros will Brüssel dazu bringen, dass aus Afrika und dem Nahen Osten jährlich mindestens eine Million Einwanderer in der Europäischen Union, d.h. auch in Ungarn, angesiedelt werden.

Unterstützen Sie diesen Punkt des Soros-Plans? Ja/Nein

2.) George Soros plant gemeinsam mit Brüsseler Führern, dass die Mitgliedstaaten der EU, d. h. auch Ungarn, die Grenschutzzäune beseitigen und die Grenzen für die Einwanderer öffnen müssen.

3.) Teil des Soros-Plans ist es, die Einwanderer, die sich in Westeuropa angesiedelt haben, durch Brüssel verpflichtend verteilen zu lassen, unter besonderer Beachtung der osteuropäischen Staaten. Daran muss auch Ungarn sich beteiligen.

4.) Der Soros-Plan sieht vor, dass Brüssel jeden Mitgliedstaat, so auch Ungarn, zu verpflichten habe, jedem Einwanderer 9 Mio. Forint an staatlicher Unterstützung zu bezahlen.

5.) George Soros will weiters erreichen, dass Migranten mildere Strafen für die von ihnen begangenen Straftaten erhalten.

6.) Ziel des Soros-Plans ist es, die Sprachen und Kulturen der europäischen Länder in den Hintergrund zu drängen, damit die Integration der illegalen Einwanderer raschen vonstatten geht.

7.) Teil des Soros-Plans ist es, Länder, die sich gegen die Einwanderung stellen, politisch anzugreifen und mit strengen Strafen zu belegen.


Donnerstag, 17. August 2017

Ein weiterer Schritt in die Diktatur

Im Juni 2017 hat die Verwaltung des 8. Bezirks in Budapest das Auróra Kulturzentrum einer 18stündigen Razzia durch die Polizei unterzogen. Es folgten zwei Verordnungen zur Schließung des Gastronomiebetriebes von Auróra. Dieses Ereignis fügt sich in den derzeitigen politischen Trend in Ungarn, in dem rechtsextremistische Ideen und Politik zunehmen, die Kommunikation der Regierung spaltet und nicht verbindet und der Premierminister den Wechsel von einer „liberalen“ zur „illiberalen“ Demokratie fordert.


Angesiedelt im sozial und ethnisch heterogenen 8. Bezirk Budapests ist Auróra ein Zentrum für alternative Kultur und soziales Engagement. Hier sind Dutzende von NGOs angesiedelt, die für und mit marginalisierten und stigmatisierten Gruppen arbeiten, z.B. Roma, LGBTQI*, Sexarbeiter*innen, Menschen mit Suchtproblemen, Obdachlose u.a Auróra wurde 2014 von der jüdischen Organisation Marom gegründet als Nachfolgeort des 2012 geschlossenen sozio-kulturellen Treffpunktes Siraly. In Auróra hat auch die progressive jüdische Gemeinde Dor Hadash ihren Sitz. Zu den wichtigsten Zielen des Auróra-Projektes gehören die Stärkung der Zivilgesellschaft durch Schaffung von Vernetzungsplattformen und inklusiven Räumen, Unterstützung der Kooperationen zwischen den dort arbeitenden Organisationen sowie durch erfahrungsbasierte, künstlerische und lokal verankerte aktivistische Praxis soziale Gerechtigkeit zu fördern.


Auróra stellt NGOs Büroräume zu subventionierten Mieten zur Verfügung, bietet kostenlos oder zu ermäßigten Preisen Dienstleistungen sowie Unterstützung durch Freiwillige. Diese Leistungen finanziert Auróra als „social enterprise“ durch Einnahmen aus seinem Gastronomiebetrieb.


Auróra hat kontinuierlich progressive soziale Bewegungen unterstützt und an ihren Protesten teilgenommen, so auch kürzlich, als die ungarische Regierung Gesetzgebung erlassen hat, die die Arbeit der renommierten Central European University (CEU) zu beeinträchtigen versucht sowie auch gegen den „Auslandsagentenerlass“ zur Kontrolle von internationalen NGOs und die anti-semitischen Kampagnen gegen CEU-Initiator und -Unterstützer George Soros. Im Juni dieses Jahres fand bei Auróra eine Polizeirazzia statt, weil das Zentrum als Drogenumschlagplatz unter Verdacht steht. 15 Besucher*innen wurden verhaftet. Lediglich zwei Personen waren im Besitz von Eigenbedarfsmengen von Cannabis, davon eine, der Marijuana zu medizinischen Zwecken verschrieben wurde. Darauf hin hat der Bürgermeister des 8. Bezirks Auróra die Handelslizenz entzogen, wodurch 80% aller Einkünfte entfallen.


Auróra hält den Betrieb aufrecht, braucht aber Unterstützung zur Weiterführung seiner sozialen Aktivitäten und für Rechtsbeistand zur Wiedererlangung der Handelslizenz. Auróra ist ein wichtiger Teil der ungarischen Zivilgesellschaft und des Stadtlebens in Budapest und seinem 8. Bezirk. Auróra ist ein Ort, an dem Kunst und soziales Engagement Hand in Hand gehen. Deshalb rufen wir zur Solidarität auf. Am 20. August 2017, ab 19:00 im ZK/U, Siemensstr. 27, Berlin-Moabit, präsentieren Filme und Gespräche über die Situation von Auróra im breiteren Kontext der aktuellen politischen Lage in Ungarn. Der Eintritt ist, aber Spenden sind sehr willkommen. Unterstützung ist auch online möglich: http://auroraonline.hu/support-us/?lang=en


Diese Veranstaltung wird organisiert von Freie Ungarische Botschaft und One World Berlin Human Rights Film Festival mit freundlicher Unterstützung von ZK/U Zentrum für Kunst und Urbanistik.