Montag, 15. Oktober 2018

Der nächste Schritt in den Faschismus

„So viel man hat, genauso viel ist man wert“, hat János Lázár, ehemaliger Kanzleramtsminister, der heuer in Wien war und davon berichtete, wie dystopisch es dort vor lauter „Migranten“ zuginge, vor ein paar Jahren gesagt. Ab heute werden Menschen, die nichts haben, kriminalisiert. Ab 15. Oktober ist nämlich das Gesetz in Kraft, das es bei Strafe verbietet, sich „dauerhaft auf öffentlichem Grund aufzuhalten“. Razzien wurden für die kommenden Tage angekündigt.


Wer sich auf öffentlichem Grund aufhält und trotz Aufforderung diesen nicht verlässt, begeht eine Gesetzesübertretung. Als „Verlassen“ gilt die Inanspruchnahme eines Obdachlosenheims oder, wie der Gesetzgeber sich ausdrückt, wenn die Person „im Sinne der Inanspruchnahme der für obdachlose Personen bestimmten Versorgungseinrichtungen kooperiert“. Die Strafen wurden für das „Vergehen“ der Obdachlosigkeit ebenfalls angehoben, jetzt kann nicht mehr nur gemeinnütze Arbeit
János Lázárs neu gebautes Lustschlösschen
Quelle: magyar narancs
vorgeschrieben werden – wurde diese nicht durchgeführt, drohte eine Geldstrafe. Nun wird man, sollte man die gemeinnützige Arbeit ablehnen, eingesperrt.
Geldstrafen gibt es keine mehr, doch wird man innerhalb von 90 Tagen 3x beim dauerhaften Aufenthalt auf öffentlichem Grund erwischt, wird daraus ein Fall für die Justiz.

Vor zwei Wochen erweiterte man dann das Gesetz. Nun werden ab heute auch alle „nicht lagerbaren“ Habseligkeiten vernichtet, die auf öffentlicher Fläche gefunden werden. Alle Fundsachen werden demnach aufgeschrieben und geschätzt. Die „nicht lagerbaren“ vernichtet. Laut erstem Gesetzesentwurf wäre eine Entschädigung dafür bezahlt worden, von der aber wiederum die Lagerkosten und die Kosten für die Vernichtung abgezogen worden wären. Vor ein paar Tagen änderte man diesen Passus wiederum ab, demnach können nun auch Familienfotos, die sich in schlechtem Zustand befinden, persönliche Dokumente und Heilbehelfe vernichtet werden. Der Obdachlose muss aber nicht mehr für „Lagerung und Vernichtung“ bezahlen.

Die Orbán-Regierung versucht sich schon seit 2011 am Verbot der Obdachlosigkeit. Der Verfassungsgerichtshof erklärte das erste Gesetz jedoch 2012 für verfassungswidrig. Die Stadt Budapest versuchte ebenfalls die Obdachlosigkeit zu verbieten (hier war der Fidesz-Bürgermeister des 8. Budapester Gemeindebezirks Vorreiter), dieses Gesetz wurde wiederum für nichtig erklärt. Es gab einen weiteren Fall, die Stadt Kaposvár versuchte sich am selben Verbot.
Heuer aber wurde auf Antrag des Fidesz-Abgeordneten István Bajkai die Verfassung dahingehend abgeändert, dass man sich nicht mehr „dauerhaft auf öffentlicher Fläche aufhalten darf“.

Morgen und übermorgen stehen große Razzien an, die Obdachlosen sollen aus den Innenstadtbezirken vertrieben werden und möglicherweise werden auch die Obdachlosensiedlungen in den Wäldern der Außenbezirke geräumt.
Die Budapest Bike Maffia, die sich die Versorgung von Obdachlosen zur Aufgabe gemacht hat, hat in den letzten Tagen einen Leitfaden unter anderem mit Adressen von Obdachlosenheimen verteilt, damit alle entsprechende Informationen erhalten.

Einige „Bonmots“ zur Obdachlosigkeit von Politikern in Entscheidungspositionen, wollen wir unseren Lesern auch nicht vorenthalten. Bereits erwähnter István Bajkai (der sich seinen Platz im Parlament dadurch verdiente, dass er einige Jahre lang der Rechtsanwalt der Familie Orbán gewesen ist) erklärte seinen Initiativantrag zur Aufnahme des Obdachlosigkeitsverbots in die Verfassung
Die Budapest Bike Maffia in Action
Quelle: index.hu
folgendermaßen: „Unter uns gesagt, machen die Obdachlosen es einem sehr schwer, die Stadt [Budapest] als Zuhause zu sehen.“ Außerdem sei Budapest nicht nur einfach ein Zuhause, sondern das geistige, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Ungarns, ja des gesamten Karpatenbeckens.
Atilla Fülöp, Staatssekretär für Soziales und Gesellschaftsentwicklung meinte: „Das abgeänderte Gesetz ist im Interesse der gesamten Gesellschaft und der Zweck ist, dass keine Obdachlosen auf den Straßen schlafen und die Bürger ungestört die öffentlichen Flächen benützen können.“ Insgesamt würden 950 Mio. Forint (ca. 3 Mio. Euro!) für die Versorgung der Obdachlosen im ganzen Land ausgegeben, da die „Gesichtspunkte der Menschlichkeit“ für die Regierung sehr wichtig seien.
Derzeit gibt es laut Schätzungen von NROs rund 30.000 Obdachlose in Ungarn für die ca. 11.000 Plätze zur Verfügung stehen.
István Tarlós, Budapester Oberbürgermeister, meinte heuer im Zusammenhang mit der Obdachlosigkeit, dass niemand in Budapest im Freien schlafen müsse, weil er keinen Platz in den Unterkünften finde.
Orbáns Ex-Rechtsanwalt, der schon erwähnte Bajnai, meinte noch im Juni, dass heute in Ungarn alle Voraussetzungen gegeben seien, dass man nicht obdachlos sein müsse. Es gebe viele Unterstützungen von Seiten des Staates und der Gemeinden, eine „riesige Zahl an Unterkünften“, die Tag und Nacht geöffnet seien, außerdem „ein außerordentlich erfolgreiches Arbeitsprogramm der Regierung. Jeder Obdachlose könnte arbeiten gehen und mit dem Verdienst sein Leben in Griff bekommen und für eine eigene Unterkunft sorgen.“ 
[81.530 HUF (263 EUR brutto) ist der Verdienst pro Monat, die Wartelisten für das Arbeitsprogramm sind lang.]