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Freitag, 4. März 2016

„Wir werden aus Ungarn kein Europa machen"



Es ist besser, individuell zu handeln als gemeinsam nichts zu tun“, war das Bonmot unter dem Orbáns allfreitägliches nationales Briefing stand. Damit reagierte er auf Merkels Warnung, dass eine einzelstaatliche Krisenbehandlung zu nichts führe. Orbán lobte sich, dass er voriges Jahr den ersten Schritt gemacht habe und somit Ungarn das „geschützteste“ Land der EU sei.
Die Kosten für den Schutz gegen die „Migranten“ habe Ungarn alleine getragen, nur 4-5 Mio. Euro, „die uns zustehen“ seien aus der EU gekommen, die internationalen Quellen seien verschwindend gering gewesen. Dazu meinte er, „in der EU wird das Geld auf andere Weise gezählt“, deshalb habe er vorerst keine weiteren EU-Geldmittel zur Bewältigung der Flüchtlingskrise angefordert, weil diese auch mit weiteren Verpflichtungen verbunden sein könnten und somit der Handlungsspielraum der Regierung beschränkt würde.
Er hielt es weiters für unverständlich, wie Griechenland es dulden konnte, dass seine Grenzen zu existieren aufgehört hätten, und warum es die „Migranten“ von den Inseln auf das Festland gebracht habe. „Das sind rätselhafte Dinge“, meinte Orbán und erklärte, dass man das auch anders hätte lösen können.

„Wir werden aus Ungarn kein Europa machen, dieses Land bleibt ein sicherer Ort“, meinte Orbán und bekräftigte, dass man bereit sei, auch an der rumänischen Grenze die Überwachung zu verstärken, sollten sich die Migrationsbewegungen in Richtung Ungarn wiederum verstärken.

Martin Schulz schlaumeiere, wenn er erklärt, er verstehe nicht, warum man über 1300 Flüchtlinge eine Volksabstimmung abhalten müsse. Orbán meinte, man arbeite in Brüssel an einem ständigen Verteilungssystem und dagegen wolle er mit der Volksabstimmung auftreten. Denn viele glaubten, die Flüchtlingspolitik könne dem Volkswillen widersprechen, der Liberalismus pralle also auf die Demokratie. Es stelle sich nicht die Frage, was eine Regierung denkt, sondern was die Menschen wollten, die Ungarn gehörten in das Lager der demokratischen Völker, deshalb würden die Menschen auf jeden Fall befragt.

„Andy Vajna dürfen wir auch nicht vergessen“, meinte Orbán im Zusammenhang mit dem Oscar-Erfolg des ungarischen Films "Der Sohn des Saul". [Andy Vajna hat dereinst Filme wie Rocky und Terminator produziert und ist heute die ungarische Filmförderung in einer Person.] Er sei „einer der mutigsten Ungarn“, der im „Wespennest“ der ungarischen Filmindustrie Ordnung gemacht habe und die Möglichkeit schuf, dass solche Filme entstehen können.

Montag, 11. Januar 2016

Trottelgesichtige Manipulatoren - Reaktionen auf den Golden Globe

gesammelt von index.hu
Der Film Sauls Sohn (Saul fia), ein Holocaustdrama des ungarischen Filmemachers László Nemes Jeles, erhielt letzte Nacht den Golden Globe für den besten fremdsprachigen Film. Orbán kommentierte diesen Erfolg auf Facebook mit einem dicken "Wow" und gratulierte gleich auch seinem Günstling Andy Vajna (Produzent der Terminator-Reihe, Casinobesitzer und Privatfernsehbesitzer von Gottes Gnaden usw.) zur Neugestaltung der ungarischen Filmförderung. Vajna ist Alleinherrscher über hunderte Millionen Forint, die willkürlich vergeben werden. Der Film Sauls Sohn wurde massiv von der ungarischen Filmförderung unterstützt.

Die Freude über den Erfolg ist verhalten wie schon beim Literaturnobelpreis von Imre Kertész. Die negativen Reaktionen im Volk sind erdrückend. Um den Lesern einen kleinen Einblick zu geben, sei Gehörtes und Gepostetes hier auf Deutschen wiedergegeben. Wir schreiben das Jahr 2016, bitte nicht vergessen.


Auf dem Weg zur Arbeit belauschte ein Redakteur der Internetzeitung index.hu ein Gespräch zwischen zwei Männern im Bus. Es wurde über Sauls Sohn gesprochen. Schließlich meint der eine: "Ich hab gar nicht gewusst, dass es beim Golden Globe auch eine Science-Fiction-Kategorie gibt. Verstehst du, der Holocaust war so real, wie ich eine Möse habe!"

Unter Orbáns Gratulationspost spielte es sich heftig ab. Hier einige ausgewählte Kommentare, die schlechte Rechtschreibung und Tippfehler wurden nicht wiedergegeben:

"Einen Trianon-Film zu sehen, auszuzeichnen, das wär schon mal was. Der arme Herr Ministerpräsident, er muss sich der Meinung des kulturellen Mainstreams beugen."

"Ehrlich gesagt, mich interessiert weder der Film noch wovon er handelt. Von den 300 Millionen hat niemand geredet, weil einen Film mit so einem Budget zu drehen, ist das nicht ein wenig furchtbar viel?! Es können sich ja alle über einen Judenfilm freuen, die wollen. Alle tun so, als wäre das der erste Film in dieser Kategorie."

"Ich wollte gerate Geschirrspülen, aber als ich den Wasserhahn öffnete, floss auch dort der Holocaust heraus. Könnte mir jemand sagen, wie lange das noch dauern wird?"

"Womit hätte man den sonst gewinnen sollen? Für Juden über Juden... erbärmlich."

"Lächerlich! Der schlechteste "Film" der Welt!"
"Wen interessierts???
             Mich sicher nicht.
             Sci-Fi-Kategorie?"

"Das Lächerliche ist, dass die "Auserwählten" ihn auch noch den Oscar gewinnen lassen. :("

"Wie klasse! Von jetzt an wird dieser Scheiß Judenfilm überall zu sehen sein!
        Was glaubst du, wer sich sowas anschaut????
        Es wird sicher die bestimmten Kreise geben, die alles geben werden, um diesen Scheißdreck zu sehen, der mit unseren Steuergeldern gedreht wurde, aber nicht für uns... Und ihr könnt beruhigt sein, alle Medien werden von ihm schwärmen!
      Trottelgesichtige Manipulatoren. Die Verewigung eines erfundenen Hirnmärchens. Diese Fürchterlichkeit ist ein strahlend glänzender schwarzer Edelstein des Ungarntums. Vorwärts, ihr Ungarn, auf-auf, die 6 Millionen Maden zu retten, damit sie nicht vergast werden."

"Dieses Machwerk, das von der Holocaustlüge handelt, ist immer, egal von wem gemacht, wenn es den zionistischen Erwartungen entspricht, zum Erfolg verurteilt."

"Soros' Sohn Judenpropaganda"

"Ich beschäftige mich nicht damit. Scheißdreck, der für eine kleine Gruppe gemacht wurde."

"Das war zu erwarten. Wer könnte denn sonst gewinnen? Immer nur diese Holocaustlüge!!!!!!!! Es gibt andere Filme, die viel schöner und besser sind!"

"DAS IST KEIN UNGARISCHER FILM! Er ist jüüüüüdisch! DAS IST EIN RIESENUNTERSCHIED!"

"Was ist daran ungarisch??"

"Schrecklich"

"Die Hakennasen geben einander die Preise. Das gehört zur globalen Gehirnwäsche."

"Na, da können wir lange waren, dass der Jude dem Ungarn irgendetwas dankt. Und außerdem scheiß ich auf diesen Preis! Über die ungarischen Opfer will niemand einen glaubwürdigen Film drehen. Ich finde diese jüdische Arschleckerei ganz einfach abscheulich!"

"DIE JUDEN HABEN IN UNGARN DAS MAUL ZU HALTEN!!!"

"Hat der Jude dem ungarischen Steuerzahler die hunderten Millionen schon gedankt??"


Quellen: http://hvg.hu/itthon/20160111_Orban_rajongoi_kozul_sokan_nem_orulnek_a
http://index.hu/mindekozben/poszt/2016/01/11/reg_indult_be_akkora_ossznep_zsidozas_mint_most_a_saul_fia_sikere_utan/
https://www.facebook.com/orbanviktor/posts/10153793318631093

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Der ungarische Globus

Viele werden sich denken, wie in Ungarn möglich ist, was dort geschieht. Das Ganze hat etwas mit der Volksseele zu tun, die es ja objektiv gesehen - so sagt es uns die Wissenschaft - nicht gibt. Gut. Dann halten wir uns an Narrativa, Traditionen und Hierarchien, die immer wieder bekräftigt, gestärkt und wachgerufen werden.
György Faludy (1910-2006) hat in seinem Buch Meine heiteren Tage in der Hölle für jeden verständlich zusammengefasst, was der Grund dafür ist, dass es in Ungarn so ist, wie es ist und solange nicht eine große Menge an im Ausland sozialisierten Ungarn irgendwann mal in die "alte Heimat" zurückkehrt, sich auch nichts ändern wird.

György Faludy: Der Ungarische Globus
 
Ich wusste, dass sich für so altmodische Kennenlernreisen der europäischen Länder das 1938er Jahr und die nachfolgenden kaum eignen und meine finanziellen Mittel solcherlei ohnehin nicht zulassen würden. Ich konnte mich, wenn ich schon emigrieren musste, damit trösten, dass ich eine Reise machen würde, nach der ich mich im Geheimen so oft gesehnt hatte. Ja, ich kannte Paris, wenn auch die Pariser nicht. Ich wusste, dass es Krieg geben würde. Und obwohl ich mich darauf vorbreitete, dass vor dem Krieg Paris mein Wohnort sein würde, ich während des Krieges mit der französischen Armee herumzöge, ahnte ich irgendwie: All das ist weit nicht so einfach und meine Emigration würde wohl auch nicht an den Ufern der Seine enden. Ich wusste schon, echte Emigration ist stets eine erzwungene Flucht. Dazu braucht es kein Geld. Zu Fuß oder auf dem Dach eines Zuges, auf einem Pferdewagen oder tief im Bauch eines Schiffes, aber wenigstens umsonst. Der fünfte Grund für meine Emigration ist das Reziproke des vorherigen und ergibt sich automatisch aus diesem. Gegensätzliche Kräfte zerrten an mir, ich wurde von Ungarn angezogen und abgestoßen. Ich wollte bis zum meinem Tod in Budapest leben und war glücklich, dass ich von dort fort kam;
es war für mich ganz natürlich, dass ich als Ungar geboren war, ich war stolz darauf und gleichzeitig verfluchte ich meine Herkunft. Hier denke ich an viel gewichtigere als die politischen Gründe. Daran, was Endre Ady als ungarische Brache bezeichnet hatte, und all sein Zubehör bzw. an den chronischen ungarischen Provinzialismus. Dieser wurde nicht von Ady entdeckt: Neben einigen unserer Dichter wussten auch István Széchenyi, József Eötvös, Zsigmond Kemény, László Szalay, Oszkár Jászi, Rusztem Vámbéry und andere, was für ein Schicksalsschlag dieser Provinzialismus war. Antal Szerb nannte ihn in der ihm eigenen Sanftheit „ungarischer Finitismus“. Darunter verstand er, dass wir die wesentlichen Fragen nicht gerne stellen, und unsere Antworten nicht im Vorhinein durchdenken.Im 19. und in den ersten vier Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts war das Grundelement der ernsthafteren Konversation Tratsch und Anekdote. Wenn es dazu kam, rückten alle ihre Stühle näher und waren ganz Ohr. Warf jemand philosophische oder ethische Fragen auf, begannen die Zuhörer sich nach und zu entfernen. Unser Ungarischsein, unsere Geschichte, ja die Kritik am menschlichen Sein wurde gleich als Landesverrat gesehen. Als ich mich nach Weihnachten des Jahres 1938 in den Zug nach Paris setze, wiegte sich die ungarische Öffentlichkeit nicht nur im Traum, Ungarn wäre eine Großmacht, sondern sie war sich dessen sicher. Keiner nahm zur Kenntnis, dass unsere „Große Nation“ 413 Jahre zuvor bei Mohács ihr Ende gefunden hatte, wie Károly Kisfaludy in seinem besten Gedicht das so unmissverständlich niedergeschrieben hatte. Der Ausdruck „Ungarischer Globus“ verdeutlicht diesen Provinzialismus wohl am besten: Unser Horizont reichte nur bis an die ungarische Grenze und nicht weiter. Diese Weltsicht äußert sich in jedem kleinen Detail des ungarischen Lebens, auch in der Literatur. Ich war immer verzweifelt, warum man denn die besten Sprossen unserer Literatur nicht ins Englische, Französische, Deutsche, Italienische übersetzte, und wenn doch, warum man sie nicht würdigte. All das führte ich auf die Gleichgültigkeit des Westens zurück und darauf, dass unsere Sprache der indoeuropäischen Sprachfamilie so fern ist. Erst in den fünf Jahren, die ich an ausländischen Universitäten verbrachte, verstand ich langsam, dass mein Denken von der ungarischen Umgebung und Erziehung geprägt war. Erst da merkte ich, dass mein Liebling und Meister der Sprachschönheit, Toldi von Arany auch in der bestmöglichen Übersetzung nur ein verspätetes Epos über einen starken und dummen Menschen ist, dessen Schicksal im Westen des 20. Jahrhunderts niemanden interessierte, oder ein anderes Lieblingsgedicht von mir – Sándor Petőfis „Szeptember végén“ – für den westlichen Leser höchstens ein sentimentaler Schmus von einem Toten ist, der aus dem Grab steigt, um sich den Schleier zu holen, den seine Witwe an sein Grabkreuz gehängt hat.Ich ahnte, dass ich noch weiter gehen müsste. Mir tat immer irgendwie weh, dass ich im Westen ständig mit Erfolgen von Franz Molnár, der die Bühnentechniken großartig einsetzte, davon abgesehen aber leichte und oberflächliche Stücke schrieb, konfrontiert wurde, unsere wirklich großen Schriftsteller aber niemand kannte. Irgendwie spürte ich schon den Grund dafür – Franz Molnár ist zwar nicht viel wert, aber er ist nicht provinziell, während der Großteil unserer Genies sich nur auf dem „ungarischen Globus“ und nicht innerhalb der Grenzen Europas bewegt, also provinziell ist. Der ausländische Leser muss die ungarische Geschichte kennen und die ungarischen Verhältnisse, um ihre Werke genießen zu können. Ich hielt das für ganz natürlich, bis einige ausländische Freunde mich aufklärten: Um Richard III. zu verstehen, muss man sich in der englischen Geschichte nicht auskennen und bei Krieg und Frieden muss man nichts über die Napoleonischen Kriege wissen. Die Tragödie des Menschen ist eine Ausnahme; doch die meisten Gedichte von Petőfi, Jókai, Mikszáth, ja der Großteil von Zsigmond Móriczens Büchern – z. B. gerade sein Buch „Siebenbürgen“ – ist, ohne die ungarischen Verhältnisse und die ungarische Geschichte gründlich zu kennen, unverständlich. Wenn vielleicht auch ungewollt, wurden all diese Werke für den Inlandsgebrauch gemacht. Den Vers von Verlaine: „Dans l’interminable/ Ennui de la plaine/ La neige incertaine/ Luit comme du sable” – kann man in jede Sprache übersetzen, diese Zeile: „Ég a napmelegtől a kopár szík sarja”, in keine andere Sprache der Welt. Mit Dezső Kosztolányi, Attila József und Frigyes Karinthy waren rasch nacheinander jene drei Autoren gestorben, die ich am meisten schätzte, doch ich fühlte – wie andere auch –, dass mit ihrem Tod ein Zeitalter zu Ende ging und von der unmittelbaren Zukunft nicht viel Gutes zu erwarten war. Schon deshalb nicht, weil plötzlich der Kampf der volkstümlichen und urbanen Schriftsteller an der Tagesordnung war, etwas, was ich schon immer ungarische Schizophrenie nannte, und wovon ich mich so fern zu halten versuchte, wie nur irgend möglich. Und wenn ich an die Worte des englischen Abgeordneten dachte, plagte mich das schlechte Gewissen nicht mehr wie früher: dass ich vor einem Kampf davonlaufen würde. Ich floh von einem Schlachtfeld, auf dem meine Gegner bis über die Zähne bewaffnet aufmarschierten, mir aber keine einzige Waffe geblieben war. Ich will ja nur lernen, tröstete ich mich, und dann, eines Tages, mit mehr Wissen in ein neues, besseres Ungarn zurückkehren.

Aus György Faludy: Pokolbéli víg napjaim (Meine heiteren Tage in der Hölle)

Aus dem Ungarischen von Clemens Prinz



György Faludy war einer der letzten Großen der ungarischen  Zwischenkriegsliteratur, einer, der Kosztolányi, Attila József, Karinthy persönlich gekannt hatte. Er bereiste ganz Europa, studierte in Wien, Graz, Berlin (wo er Einstein kennenlernte). Seiner jüdischen Abstammung wegen ging er 1938 nach Paris, dann in die USA. 1946 kehrte er nach Ungarn zurück, wo er bald von den Kommunisten verfolgt und für drei Jahre interniert wurde. 1956 flüchtete er, ließ sich in London nieder, ging dann nach Kanada. Erst 1989 kehrte er erneut nach Ungarn zurück.
Faludy ist besonders für seine Übersetzungen und Bearbeitungen bekannt (Villon, Pantagruel, antike Literatur) und sein dichterisches Schaffen.

Bei seiner Beerdigung war trotz seiner Wichtigkeit für das ungarische literarische Leben niemand von Fidesz anwesend. Faludy hatte nämlich in einem seiner späten Gedichte gemeint, er könnte Orbán nicht ausstehen (dieser wurde aber namentlich nicht erwähnt). Zur Beerdigung von Tony Curtis, dem Sohn ungarischer Einwanderer, wurde eine (Fidesz-)Regierungsdelegation in die USA geschickt.