Dienstag, 22. September 2015

Migranten im Maisfeld - Realsatire aus Ungarn

Nagymagócs – Am Dorfrand von Nagymagócs hielten an einem verpflichtenden Arbeitsprogramm teilnehmende Langzeitarbeitslose und Landvermesser einander für Migranten. Sie erschraken voreinander. Eine Gruppe verschwand angeblich im Maisfeld, um dann wieder aufzutauchen, das andere Kollektiv schwang sich aufs Fahrrad und machte sich auf den Weg ins Dorf. Die im Nachhinein komisch wirkende Situation wurde von der Polizei aufgeklärt.

In Nagymagócs, einem Dorf im Süden Ungarns, ging das Gerücht um, zweihundert Flüchtlinge sollten im Dorf untergebracht werden, was aber nicht stimmte. Die falsche Information gründete auf dem Umstand, dass einige Arbeiter meinten, am Dorfrand Migranten entdeckt zu haben.
Gestern hat unsere Mitarbeiterin die Gruppe von Arbeitern aufgesucht, die etwa 5 Kilometer vom Dorf entfernt einen Wassergraben säuberten, der von Bäumen zugewachsen war. Laut lachend erzählten sie, was geschehen war.

„Im Nachhinein war das so, wie ein Kabarett. Aber in dem Moment hatten wir ein bisschen Angst“, sagte Zsolt Csipkés, der Gruppenleiter.
„Éva Udvardi und ich waren für das Wegtragen der Zweige zuständig. Éva wurde darauf aufmerksam, dass ein Mann, gut ein paar Meter weiter, aus dem Graben trat und sich dann schnell wieder zurückzog. Csaba Kerekes und ich sahen aber schon, dass der Betreffende auf die gegenüberliegende Seite hinüberging und sich im Maisfeld versteckte“, begann Ildikó Lakatos zu erzählen.

„Wir dachten gleich, der Betreffende könnte ein Migrant sein, deshalb versteckt er sich. Krisztián Bodzsár hat ein Moped. Wir sagten ihm, er solle schnell losfahren und nach unseren Fahrrädern sehen, die wir weiter weg haben stehen lassen. Ob sie noch da sind. Wir befürchteten, dass sich der Migrant eines der Fahrräder schnappen könnte und dann weiterflüchtet“, setzte Éva Udvardi fort.

„Ich fuhr mit dem Moped los und sah, dass auch zwei andere Männer im Maisfeld verschwanden. Die Lage schien ernst. Zumindest in diesem Moment“, fügte Krisztián Bodzsár hinzu.
Währenddessen rief der Gruppenleiter Zsolt Csipkés den Chef an und informierte ihn über die Geschehnisse.
„Er hat dann die Polizei angerufen und gesagt, wir sollten uns zurück auf den Weg ins Dorf machen.“

Jeder radelte in seinem eigenen Tempo. Der Polizei begegneten sie in etwa auf halbem Weg, an der kleinen Brücke.
„Anton, ein Typ mit braunem Gesicht, war der Erste, den die Polizisten trafen. Fast hätten sie ihn mitgenommen. Sie sagten, er solle das Fahrrad abstellen und sich in den Polizeiwagen setzen. Wahrscheinlich dachten sie, er wäre einer der Migranten. Zsolti Báder war der nächste, der auf die Polizisten traf. Er sagte ihnen, sie sollten ihn nicht mitnehmen, weil er einer von uns ist. Anton war anzusehen, dass er keinen Mucks herausbrachte, so erschrocken war er. Später lachte auch er über das Ganze“, erzählte Csaba Kerekes.

Das Ende der Geschichte erfuhren wir von Bürgermeister Endre Szebellédi:
„Die Polizei benachrichtigte mich später, dass die, die die Arbeiter für Migranten hielten, Landvermesser waren. Nach Meinung der Arbeiter glaubten auch die Landvermesser, Migranten zu sehen, deshalb versteckten sie sich im Maisfeld. Nach den Ereignissen verbreitete sich im Dorf das Gerücht, man hätte 200 Migranten nach Nagymagócs gebracht. Ein Teil von ihnen wäre in der Touristenherberge untergebracht worden, der Rest in dem ehemaligen Sozialheim in der Kossuth-Straße. Aber es wurden keine Migranten nach Nagymagócs gebracht. Bei den zuständigen Behörden war von unserer Ortschaft gar keine Rede. Unsere Selbstverwaltung würde auch ablehnen, hier ein Flüchtlingslager einzurichten“, erklärte Endre Szebellédi.
Abschließend fügte hinzu, dass die Migrantenfrage so oder so jeden beschäftige. Vor der Flüchtlingswelle wären die Arbeiter und die Landvermesser am Maisfeld wohl nicht voreinander erschrocken.


Übersetzung: Éva Zádor
(Quelle:
www.delmagyar.hu/szentes_hirek/mindenki_mindenkit_menekultnek_nezett_nagymagocson/2445808/)

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