Übersetzung des Artikels von hungarianspectrum vom 19. Feber
2020
István Simicskó, zu Beginn seiner politischen Laufbahn Mitglied der Phantompartei KDNP, war von
September 2015 bis 2018 Verteidigungsminister, heute ist er als Regierungsbeauftragter
für die patriotische und militärische Erziehung der jungen Generation verantwortlich.
Ihm wurde im Jahr 2015 das Verteidigungsressort übertragen, nachdem sein
Vorgänger Csaba Hende nicht in der Lage war, Viktor Orbáns Forderung nach einem
Grenzzaun innerhalb kurzer Zeit zu erfüllen. 2018 wurde Simicskó vom Vier-Sterne-General
und Stabschef, Tibor Benkő beerbt.
Ausbildung im Károly Kratochvil Militärgymnasium Quelle: facebook |
Simicskó begann sich erst relativ spät für Politik zu
interessieren. Im Jahr 1991 trat er der Christlich-Demokratischen Volkspartei (KDNP)
bei, um dann Ende 1996 zu Fidesz zu wechseln. Zwei Jahre später wurde er
Parlamentsabgeordneter und zum politischen Unterstaatssekretär im Ministerium
für zivile Geheimdienste ernannt. Seine denkwürdigste Handlung war sein Nein zum
Beitritt Ungarns zur Europäischen Union bei der parlamentarischen Abstimmung im
Jahr 2002.
Nachdem Viktor Orbán die Wahl 2002 verloren hatte, schrieb
eine amerikanische Politikwissenschaftlerin einen Artikel in der Zeitschrift
Foreign Affairs, in dem sie darauf hinwies, dass einige der neuen
NATO-Mitglieder, darunter auch Ungarn, ihre Verpflichtungen gegenüber der NATO vernachlässigten.
Sie fügte jedoch hinzu, dass die neue ungarische Regierung unter der Führung
von Péter Medgyessy versprach, mehr für Verteidigung auszugeben. Simicskó, der
zu diesem Zeitpunkt stellvertretender Vorsitzender des parlamentarischen
Verteidigungsausschusses war, warf der Politikwissenschaftlerin vor, mit
Mitgliedern der sozialistischen Regierung unter einer Decke zu stecken. Es
folgten Belästigungen der Politikwissenschaftlerin durch in den Vereinigten
Staaten lebende Fidesz-Loyalisten.
Viktor Orbán ist im Allgemeinen recht großmütig jenen loyalen
Politikern gegenüber, die aus dem einen oder anderen Grund „nicht gut funktioniert
haben“. Für sie wird ein anderer Arbeitsplatz gefunden oder auch einer geschaffen.
Das ist einer der Gründe für die unglaublich aufgeblähte Regierungsbürokratie. Lieblingstrostpflaster
für die Gefallenen ist eine Stelle als „Regierungsbeauftragter“. So wurde
Simicskó Regierungsbeauftragter für patriotische und militärische Erziehung.
Darüber hinaus wurde er zum Vorsitzenden des Ungarischen Sportverbandes für
Nationale Verteidigung (Magyar Honvédelmi Sportszövetség/MHSZ) mit einem
Jahresbudget von 1,1 Milliarden Forint gewählt.
Im Sommer 2018 waren die ungarischen Medien voll von
Geschichten über Simicskós ehrgeizige „Strategie für patriotische und
militärische Erziehung“. Da er ankündigte, sich vor allem auf Schüler im
Gymnasialalter zu konzentrieren, bezeichneten die Journalisten der
Wochenzeitung „168óra“ das neue Programm als eine Wiederbelebung der „Levente
Mozgalom“, der „Heldenbewegung“, einer Art HJ der ungarischen Zwischenkriegszeit.
Das erklärte Ziel der Levente-Mozgalom war die körperliche Ertüchtigung. In Wirklichkeit
wurden die Levente-Truppen jedoch geschaffen, um das im Friedensvertrag von
Trianon, der für Ungarn den Ersten Weltkrieg beendete, verhängte Verbot der
Horthy auf Inspektion bei der Levente Mozgalom |
Simicskó nimmt seine neue Aufgabe sehr ernst. Sein oberstes
Ziel ist, das Nationalbewusstsein in künftigen Generationen fest zu verankern: „In
dieser globalisierten liberalen Welt gibt es ernste Kräfte, die gegen nationale
Gemeinschaften und Familien arbeiten.“
Darüber hinaus sei für ihn „als praktizierender Christ“ der
religiöse Glaube eine Grundvoraussetzung des Nationalbewusstseins. Heute, da so
viel über den allzu nationalistischen staatlichen Lehrplan zu hören ist, mögen
wir vielleicht denken, dass die Manipulation der Geschichts- und
Literaturbücher übereilt und in letzter Minute geschah. Aber schon vor zwei
Jahren meinte Simicskó in einem Interview mit Magyar Idők, dass seine Aufgabe
darin bestehe, dafür zu sorgen, dass die Lehrmaterialien mehr patriotische
Inhalte enthalten. Er meinte, dass „der Geschichtsunterricht ein hervorragendes
Mittel ist, um Material aufzunehmen, das [die Schüler] bereits unbewusst in
ihren Herzen tragen“.
Seit seiner Ernennung sind zwei Jahre vergangen, doch trotz
seines Eifers kann Simicskó nicht viele Erfolge vorweisen. Noch keines der militärischen
Sportzentren mit Schießanlage wurde gebaut. Vielleicht wird im April oder Mai
die Genehmigung für den Bau der ersten fünf Zentren erteilt: in Baja,
Balassagyarmat, Újfehértó, Szarvas und Szigetvár. Noch 2017 plante die
Regierung Orbán den Bau von 107 solcher Zentren, von denen 16 schon 2018
eröffnet werden sollten. Möglicherweise bleibe viele Pläne für militärische
Sportzentren endgültig in der Schublade.
Ein anderes Projekt, das seit Jahren auf der Tagesordnung
der Regierung steht, ist die Wiedererrichtung von altmodischen Militärschulen
für Schüler von 14 bis 18 Jahren. Bislang wurde nur eine solche Militärschule eröffnet.
Sie befindet sich in Debrecen und ist nach Károly Kratochvil benannt, dem
Kommandeur der 1918 in Cluj/Kolozsvár/Klausenburg eingerichteten
Szekler-Division, deren Auftrag es war, die rumänischen Truppen zurückzuhalten.
Die Regierungspropaganda spricht vom großen Erfolg der Schule
und das Verteidigungsministerium plant die Eröffnung von zwei weiteren
Militärakademien, einer in Hódmezővásárhely und einer in Székesfehévár. Die
Militärakademie in Debrecen war letztes Jahr Schauplatz von sexuellem
Missbrauch, das sei nur nebenbei gesagt.
Die ungarische Armee organisiert auch militärische
Sommerlager für Kinder im Alter von 12 bis 18 Jahren. Aus den ungarischen
Medien erfährt man relativ wenig über sie, aber es gibt eine ausführliche
englischsprachige Beschreibung der Lager in The Guardian, die von einem
wohlwollenden Beobachter verfasst wurde.
Die Militarisierung der ungarischen Gesellschaft schreitet
voran. Bisher sind die Bemühungen erst in Trippelschritten vorangekommen, aber
vielleicht wird schon bald mit mutig festem Schritt marschiert. Schließlich
muss sich Ungarn gegen eine Vielzahl von Feinden verteidigen. Wer genau sie
sind, ist unklar und kann morgen schon ganz anders sein, vielleicht sind es die
„Kommunisten mit Universitätsabschluss“ (die Liberalen laut Orbán), vielleicht Migrantenhorden,
vielleicht widerspenstige Nachbarn.
Deutsche Übersetzung: Pusztastranger
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