Montag, 3. April 2017

Brüssel, böser denn je!

Vor wenigen Tagen wurden von der Orbán-Regierung unter dem Titel "Nationale Konsultation 2017" wiederum Fragebögen ausgeschickt, durch die die Regierung die "Meinung der Bürger" erfahren will. Ähnliches hat schon stattgefunden. Der Fragebogen sei hier ohne weiteren Kommentar wiedergegeben.

1.    Brüssel ist dabei, einen gefährlichen Schritt zu tun. Man will uns zur Rücknahme der Nebenkostensenkung zwingen.
Was soll Ungarn Ihrer Meinung nach tun?

A.    Wir müssen die Nebenkostensenkung verteidigen. Beharren wir darauf, dass in Ungarn wir die ungarischen Energiepreise festlegen.
B.    Akzeptieren wir die Pläne Brüssels und überlassen wir den Großunternehmen die Festlegung der Nebenkosten.

2.    In letzter Zeit ist es in Europa immer wieder zu Terrorangriffen (sic!) gekommen. Trotzdem will Brüssel Ungarn zwingen, illegale Einwanderer ins Land zu lassen.
Was soll Ungarn Ihrer Meinung nach tun?

A.    Zur Sicherheit der Ungarn müssen die illegalen Einwanderer unter Aufsicht gestellt werden, bis die Behörden in ihrer Sache entschieden haben.
B.    Erlauben wir den illegalen Einwanderern, sich frei in Ungarn zu bewegen.

3.    Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die illegalen Einwanderer, die nach Ungarn wollen, nicht nur von Menschenschmugglern, sondern auch von bestimmten internationalen Organisationen zu ungesetzlichen Aktivitäten angestiftet werden.
Was soll Ungarn Ihrer Meinung nach tun?

A.    Die Aktivitäten zur Förderung der illegalen Einwanderung – wie den Menschenschmuggel und die Bewerbung der illegalen Einwanderung – müssen bestraft werden.
B.    Akzeptieren wir, dass es internationale Organisationen gibt, die ohne Konsequenzen zur Umgehung der ungarischen Gesetze aufrufen können.


4.    Es sind immer mehr vom Ausland unterstützte Organisationen in Ungarn tätig, die die Absicht verfolgen, auf die inneren Angelegenheiten Ungarns auf undurchsichtige Weise Einfluss zu nehmen. Die Tätigkeit dieser Organisationen gefährdet unsere Unabhängigkeit.
Was soll Ungarn Ihrer Meinung nach tun?

A.    Verpflichten wir sie dazu, sich registrieren zu lassen und dabei anzugeben, im Auftrage welchen Landes oder welcher Organisation sie tätig sind und welche Absichten sie verfolgen.
B.    Lassen wir sie auch weiterhin unkontrolliert ihrer riskanten Tätigkeit nachgehen.

5.    Ungarn war bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze in den letzten Jahren allein deshalb erfolgreich, weil es seinen eigenen Weg ging. Brüssel jedoch greift die Maßnahmen zur Arbeitsplatzschaffung an.
Was soll Ungarn Ihrer Meinung nach tun?

A.    Über die Zukunft der ungarischen Wirtschaft müssen auch weiterhin wir Ungarn entscheiden.
B.    Brüssel soll entscheiden, was in der Wirtschaft zu tun ist.

6.    Ungarn fühlt sich der Steuersenkung verpflichtet. Unsere Heimat wird von Brüssel auch deswegen angegriffen.
Was soll Ungarn Ihrer Meinung nach tun?

A.    Bestehen wir darauf, dass wir Ungarn über die Steuersenkungen entscheiden dürfen.
B.    Finden wir uns damit ab, dass Brüssel die Höhe der Steuern diktiert.

Die Rücksendung des Fragebogens ist kostenlos.
Einsendeschluss: 20. Mai.

Sonntag, 2. April 2017

Bis alles Feuer fängt



In der zum Großteil von Székler-Ungarn bewohnten Kleinstadt Gyergyószentmiklós/Gheorgheni im rumänischen Siebenbürgen wurden am Freitag Roma-Häuser angezündet.

Ein Gastkommentar von Boróka Parászka, Mitarbeiterin des Radios Marosvásárhely/Târgu Mureș, Journalistin von Magyar Narancs, 168 óra, Erport.



Eines der brennenden Häuser.
Quelle: www.gyindex.ro


Die Welt blickt jetzt auf Budapest und die CEU. Zurecht. In die Kirchen, die Universitäten und in die eigenen Vier Wände der Menschen sind bisher nur die entschlossensten Regime eingedrungen. Es gibt keine eindeutigeren Zeichen für die Allmacht der Herrschenden. Doch neben der Budapester Front (wo Akademiker, Studenten sich organisieren, Briefe schreiben und mit Solidarität rechnen können) wurde in Gyergyószentmiklós/Gheorgheni, einer wohl wenigen bekannten Kleinstadt in Siebenbürgen, eine weitere Front eröffnet. Man kann sie als Fortsetzung dessen sehen, was in Budapest passiert. Organisierte Gruppen haben in Selbstjustiz Häuser angezündet. Zum Spektakel wurden auch Zuschauer gerufen. Vor der versammelten Menge schlug man Frauen und Kinder – laut Berichten klatschten die Anwesenden Beifall und feuerten den Schlägertrupp an. Die angegriffenen Männer mussten sich in einer Reihe aufstellen und sich dann niederknien. Die Presse wurde – auch das wurde von Anwesenden berichtet – bei der Arbeit gestört, daran gehindert, die Ereignisse zu dokumentieren. Stunden vergingen, bis aus der benachbarten Komitatshauptstadt Verstärkung für die örtliche Polizei angekommen war und der Gewalt ein Ende bereitet wurde.
Gyergyószentmiklós, diese wunderbare, oft im Stich gelassene, verratene Kleinstadt, wo einst mit den Szeklern eine große jüdische und armenische Gemeinde lebte, ist ein regionales Zentrum. In der Region Gyergyó und im Gyergyóer Becken tuschelt man nun, dass sich das Feuer ausbreiten werde, jederzeit könne auch das eine oder andere Haus in den umliegenden Dörfern brennen. Ich erhalte immer mehr Briefe von dort Lebenden. Ich erhalte auch Drohungen. Und Hilfeschreie von Lehrern, Journalisten, Intellektuellen. Auch sie haben - wie die Lehrenden der CEU, die Studenten, Mitarbeiter - ein ungutes Gefühl, Angst. Doch ihre Ängste hier sind von ganz anderer Natur. Sie fürchten sich vor der radikaleren Form der Willkür, der Übermacht der Regierung: der entfesselten Selbstjustiz. Die Peitsche wird in der Politik geschlagen, doch hier knallt sie und verursacht tiefe, blutende Wunden. Ich ersuche alle, diese Geschichte in das große Ganze einzufügen. Schaut gleichzeitig auf Budapest, Gyöngyöspata (1), Olaszliszka (2) und Gyergyószentmiklós. Denn das hängt alles zusammen. Erkennt die Bedrohung, seht die Opfer und zeigt Zivilcourage! Für uns alle. Für euch selbst.


(1) In Gyöngyöspata herrschte ein rechtsradikaler Jobbik-Bügermeister, der 2011 die Romabevölkerung in seiner Gemeinde wochenlang von unformierten Rechtsextremisten terrorisieren ließ.

(2) In Olaszliszka wurde 2006 ein Gymnasiallehrer, der ein Mädchen angefahren hatte, aber unverletzt blieb, von einem Roma-Mob vor den Augen seiner zwei Töchter zu Tode geprügelt.