Eva S.
Balogh – Hungarianspectrum - 2. Februar 2018
Das Health Consumer Powerhouse hat soeben den „Euro HealthConsumer Index“ (EHCI) für 2017 veröffentlicht und Ungarn rangiert fast am Ende
der Liste von 31 europäischen Ländern. Das Land, das sich diese Ehre mit Polen
teilt, liegt mit 584 von 100 Punkten auf Platz 29. Ungarn blieb sogar hinter
Montenegro (623 Punkte) und Albanien (596 Punkte) zurück. Nur Rumänien, Litauen
und Griechenland schnitten schlechter ab als Ungarn.
Lassen Sie mich hier wiedergeben, was die Autoren des EHCI
über die Gründe für die katastrophale Entwicklung des polnischen und
ungarischen Gesundheitssystems zu sagen hatten. Nachdem sie festgestellt
hatten, dass diese beiden Länder „trotz guter und ausreichender medizinischer
Ausbildungsmöglichkeiten und einer langen Tradition des solidarisch finanzierten
staatlichen Gesundheitswesens“ bei den jährlichen EHCI-Berichten schlecht abschnitten,
gaben die Autoren ihrer Verwirrung über die Gründe für die schlechten
Ergebnisse Ausdruck. Schließlich stellten sie die Hypothese auf, dass sich die
Regierung „in den letzten Jahren anscheinend auf eine andere Agenda konzentrierte
als auf das optimale Funktionieren des Landes; auf Dinge wie die Auslöschung
der freien Presse, die politische Infiltration des Justizsystems, die Ablehnung
äußerst bescheidener Migrantenquoten und ein Abtreibungsverbot unter allen,
außer den extremsten Umständen". Letztere Behauptung gilt nur für Polen;
in Ungarn ist der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch immer noch möglich. Der
Bericht stellt weiters fest, dass „die laufenden politischen Diskussionen über
grundlegende Reformen in Polen und Ungarn bisher wenig gebracht haben“ und dass
„die Öffentlichkeit und die Ärzteschaft Besseres verdienen“.
Wartezeiten: Lendenwirbelsäulen-OP 416 Tage, OP am offenen Herzen 210 Tage, Hüftprothese 271 Tage |
Diese Erklärung für die Unzulänglichkeiten des ungarischen
Gesundheitssystems ist zu vereinfachend. In ihrer Zusammenfassung erwähnen die
Autoren jedoch einige allgemeine Aspekte erfolgreicher Gesundheitssysteme, die
in Ungarn fehlen. Zu den schlimmsten Problemen im ungarischen System gehören
die schrecklich langen Wartelisten. Geld in die Gesundheitsversorgung zu
stecken, würde nicht automatisch zu einem effizienteren System führen. Laut
EHCI gibt es „keinen Zusammenhang zwischen dem Zugang zur Gesundheitsversorgung
und den Kosten“. Es sei von Natur aus billiger, ein Gesundheitssystem ohne
Wartelisten zu betreiben als mit Wartelisten, behaupten sie. Und hier kommt
etwas, das ungarische Gesundheitsdienstleister nur schwer schlucken können: „Das
Gesundheitswesen ist im Grunde genommen eine Prozessindustrie. Wie jeder
professionelle Manager aus dieser Branche weiß, sind reibungslose Abläufe mit
einem Minimum an Unterbrechungen oder Unterbrechungen der Schlüssel dazu, dass
die Kosten niedrig bleiben.“
Obige Feststellung ist für die meisten Ärzte sowie für rechte
ungarische Politiker ein Gräuel. Als Viktor Orbán noch in der Opposition war,
erklärte er nachdrücklich: „Gesundheit ist kein Geschäft“. Und ich bin mir
sicher, dass die meisten ungarischen Ärzte dagegen protestieren würden, wenn
man ihren Beruf als in der „Prozessindustrie“ angesiedelt bezeichnen würde. Sie
lehnen sogar die Vorstellung des Health Consumer Powerhouse ab, dass die Gesundheitsversorgung
von den Konsumenten bewertet werden solle. István Éger, Präsident der
Ungarischen Ärztekammer, korrigierte György Bolgár, den bekannten Talksendundsmoderator
heute Nachmittag im Klub-Rádió: „Wir hab mit Patienten und nicht mit Konsumenten
zu tun.“
Und so humpelt das ungarische Gesundheitssystem auf unwirtschaftliche Art und Weise mit Patienten, die stunden- oder wochenlang warten und auf die Gnade überlasteter Ärzte angewiesen sind, dahin. Da sich der Berufsstand der Ärzte weigert, seine Patienten als Konsumenten zu betrachten, ist das Gesundheitssystem einfach nicht darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse der Patienten zu befriedigen. Solange diese Haltung vorherrscht, wird sich wenig ändern.
Und so humpelt das ungarische Gesundheitssystem auf unwirtschaftliche Art und Weise mit Patienten, die stunden- oder wochenlang warten und auf die Gnade überlasteter Ärzte angewiesen sind, dahin. Da sich der Berufsstand der Ärzte weigert, seine Patienten als Konsumenten zu betrachten, ist das Gesundheitssystem einfach nicht darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse der Patienten zu befriedigen. Solange diese Haltung vorherrscht, wird sich wenig ändern.
Selbst in einem relativ armen Land ist es möglich, fast
augenblickliche und dramatische Verbesserungen zu erreichen. Das Beispiel, das EHCI
bringt, ist Montenegro, das innerhalb eines Jahres von Platz 34 auf Platz 25
(623 Punkte) vorrückte, indem es ein eigenes System eines offenen,
transparenten integrierten Echtzeit-Gesundheitsversorgungssystems einführte,
das die Wartezeiten radikal reduzierte. Oder da ist die Slowakei, die ihre
Punktzahl in einem Jahr um 71 Punkte verbessert hat. Einer der Gründe für diese
deutliche Verbesserung könnte die Einführung eines Systems von privaten
Zusatzversicherung gewesen sein.
Die Studie ist 100 Seiten lang und geht auf fast alle Aspekte
ein, die mit der Gesundheitsversorgung zu tun haben. Während Ungarn zum größten
Teil entweder am unteren Ende oder in den "so-lala"-Kategorien liegt,
gibt es eine Reihe von Bereichen, in denen Ungarn führend ist: Impfungen für
Säuglinge und Kinder sowie Leibeserziehung in der Schule. Der Bericht ist
randvoll mit Statistiken, die es wert sind, studiert zu werden.
Vergeblich suchte ich nach einer Auseinandersetzung mit den Ergebnissen
der EHCI in den Fidesz-Propagandamedien. Nur wenige unabhängige oder
regierungskritische Medien berichteten über die tristen Ergebnisse. In der
regierungsfreundlichen Tageszeitung Magyar Idők erschien am 28. Dezember
der letzte Artikel über das Gesundheitswesen mit dem Versprechen, dass „im
nächsten Jahr die Zahl der Menschen, die auf chirurgische Eingriffe warten,
weiter reduziert wird“. Aber in einem Artikel mit dem Titel „Liebe Fidesz,
nicht Soros, sondern der Sensenmann muss gestoppt werden!“ erfuhr ich, dass sich
die Wartezeiten in den letzten zwei Monaten tatsächlich verlängert haben.
Péter Juhász von Együtt beschloss kürzlich, sich genauer
über das Krankenhausessen zu informieren. Ein Freund von ihm, der in ein
Krankenhaus eingeliefert wurde, schickte ihm jeden Tag seine Mahlzeiten (im
Tausch gegen Essen von außerhalb). Das Krankenhausessen war von schlechtester
Qualität und Menge und es fehlte eindeutig an Vitaminen. Juhász hat sein
Experiment zehn Tage lang durchgehalten und einiges an Gewicht verloren.
Csaba Molnár, stellvertretender Vorsitzender der
Demokratikus Koalíció, nutzte den EHCI-Bericht für den Wahlkampf: „Während der
Gyurcsány-Regierung lag Ungarn vor Italien, Spanien und Irland, jetzt sterben die
Patienten im Korridor der Notaufnahme.“ [Vor kurzem gab es einen solchen Fall.]
Die Verschlechterung der Zustände in Ungarn in den letzten acht Jahren war in
der Tat atemberaubend. Laut „Euro Healthcare Consumer Index 2008“ lag Ungarn
von den 31 Ländern auf dem 13. Platz, gleich hinter Finnland, Frankreich,
Estland, Belgien und dem Vereinigten Königreich und vor Italien und Spanien
sowie 17 weiteren Ländern. Polen war damals schon auf dem Tiefpunkt angelangt.
Angesichts dieser drastischen Verschlechterung, sollte die
von der EHCI-Bericht von den Oppositionsparteien viel stärker beachtet werden,
insbesondere in diesem Jahr, wenige Monate vor den Parlamentswahlen. Der
eklatante Unterschied zwischen 2008 und 2018 muss hervorgehoben und dem
ungarischen Volk nahegebracht werden. Viele von ihnen scheinen vergessen zu
haben, dass die Zeiten vor Viktor Orbán nicht so trostlos waren wie die
gegenwärtige Regierung und sogar einige Oppositionspolitiker versuchen, sie
darzustellen. Und nicht nur im Gesundheitswesen.
2. Februar 2018
Übersetzung von Pusztastranger