Montag, 15. Oktober 2018

Der nächste Schritt in den Faschismus

„So viel man hat, genauso viel ist man wert“, hat János Lázár, ehemaliger Kanzleramtsminister, der heuer in Wien war und davon berichtete, wie dystopisch es dort vor lauter „Migranten“ zuginge, vor ein paar Jahren gesagt. Ab heute werden Menschen, die nichts haben, kriminalisiert. Ab 15. Oktober ist nämlich das Gesetz in Kraft, das es bei Strafe verbietet, sich „dauerhaft auf öffentlichem Grund aufzuhalten“. Razzien wurden für die kommenden Tage angekündigt.


Wer sich auf öffentlichem Grund aufhält und trotz Aufforderung diesen nicht verlässt, begeht eine Gesetzesübertretung. Als „Verlassen“ gilt die Inanspruchnahme eines Obdachlosenheims oder, wie der Gesetzgeber sich ausdrückt, wenn die Person „im Sinne der Inanspruchnahme der für obdachlose Personen bestimmten Versorgungseinrichtungen kooperiert“. Die Strafen wurden für das „Vergehen“ der Obdachlosigkeit ebenfalls angehoben, jetzt kann nicht mehr nur gemeinnütze Arbeit
János Lázárs neu gebautes Lustschlösschen
Quelle: magyar narancs
vorgeschrieben werden – wurde diese nicht durchgeführt, drohte eine Geldstrafe. Nun wird man, sollte man die gemeinnützige Arbeit ablehnen, eingesperrt.
Geldstrafen gibt es keine mehr, doch wird man innerhalb von 90 Tagen 3x beim dauerhaften Aufenthalt auf öffentlichem Grund erwischt, wird daraus ein Fall für die Justiz.

Vor zwei Wochen erweiterte man dann das Gesetz. Nun werden ab heute auch alle „nicht lagerbaren“ Habseligkeiten vernichtet, die auf öffentlicher Fläche gefunden werden. Alle Fundsachen werden demnach aufgeschrieben und geschätzt. Die „nicht lagerbaren“ vernichtet. Laut erstem Gesetzesentwurf wäre eine Entschädigung dafür bezahlt worden, von der aber wiederum die Lagerkosten und die Kosten für die Vernichtung abgezogen worden wären. Vor ein paar Tagen änderte man diesen Passus wiederum ab, demnach können nun auch Familienfotos, die sich in schlechtem Zustand befinden, persönliche Dokumente und Heilbehelfe vernichtet werden. Der Obdachlose muss aber nicht mehr für „Lagerung und Vernichtung“ bezahlen.

Die Orbán-Regierung versucht sich schon seit 2011 am Verbot der Obdachlosigkeit. Der Verfassungsgerichtshof erklärte das erste Gesetz jedoch 2012 für verfassungswidrig. Die Stadt Budapest versuchte ebenfalls die Obdachlosigkeit zu verbieten (hier war der Fidesz-Bürgermeister des 8. Budapester Gemeindebezirks Vorreiter), dieses Gesetz wurde wiederum für nichtig erklärt. Es gab einen weiteren Fall, die Stadt Kaposvár versuchte sich am selben Verbot.
Heuer aber wurde auf Antrag des Fidesz-Abgeordneten István Bajkai die Verfassung dahingehend abgeändert, dass man sich nicht mehr „dauerhaft auf öffentlicher Fläche aufhalten darf“.

Morgen und übermorgen stehen große Razzien an, die Obdachlosen sollen aus den Innenstadtbezirken vertrieben werden und möglicherweise werden auch die Obdachlosensiedlungen in den Wäldern der Außenbezirke geräumt.
Die Budapest Bike Maffia, die sich die Versorgung von Obdachlosen zur Aufgabe gemacht hat, hat in den letzten Tagen einen Leitfaden unter anderem mit Adressen von Obdachlosenheimen verteilt, damit alle entsprechende Informationen erhalten.

Einige „Bonmots“ zur Obdachlosigkeit von Politikern in Entscheidungspositionen, wollen wir unseren Lesern auch nicht vorenthalten. Bereits erwähnter István Bajkai (der sich seinen Platz im Parlament dadurch verdiente, dass er einige Jahre lang der Rechtsanwalt der Familie Orbán gewesen ist) erklärte seinen Initiativantrag zur Aufnahme des Obdachlosigkeitsverbots in die Verfassung
Die Budapest Bike Maffia in Action
Quelle: index.hu
folgendermaßen: „Unter uns gesagt, machen die Obdachlosen es einem sehr schwer, die Stadt [Budapest] als Zuhause zu sehen.“ Außerdem sei Budapest nicht nur einfach ein Zuhause, sondern das geistige, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Ungarns, ja des gesamten Karpatenbeckens.
Atilla Fülöp, Staatssekretär für Soziales und Gesellschaftsentwicklung meinte: „Das abgeänderte Gesetz ist im Interesse der gesamten Gesellschaft und der Zweck ist, dass keine Obdachlosen auf den Straßen schlafen und die Bürger ungestört die öffentlichen Flächen benützen können.“ Insgesamt würden 950 Mio. Forint (ca. 3 Mio. Euro!) für die Versorgung der Obdachlosen im ganzen Land ausgegeben, da die „Gesichtspunkte der Menschlichkeit“ für die Regierung sehr wichtig seien.
Derzeit gibt es laut Schätzungen von NROs rund 30.000 Obdachlose in Ungarn für die ca. 11.000 Plätze zur Verfügung stehen.
István Tarlós, Budapester Oberbürgermeister, meinte heuer im Zusammenhang mit der Obdachlosigkeit, dass niemand in Budapest im Freien schlafen müsse, weil er keinen Platz in den Unterkünften finde.
Orbáns Ex-Rechtsanwalt, der schon erwähnte Bajnai, meinte noch im Juni, dass heute in Ungarn alle Voraussetzungen gegeben seien, dass man nicht obdachlos sein müsse. Es gebe viele Unterstützungen von Seiten des Staates und der Gemeinden, eine „riesige Zahl an Unterkünften“, die Tag und Nacht geöffnet seien, außerdem „ein außerordentlich erfolgreiches Arbeitsprogramm der Regierung. Jeder Obdachlose könnte arbeiten gehen und mit dem Verdienst sein Leben in Griff bekommen und für eine eigene Unterkunft sorgen.“ 
[81.530 HUF (263 EUR brutto) ist der Verdienst pro Monat, die Wartelisten für das Arbeitsprogramm sind lang.]


Donnerstag, 10. Mai 2018

Wann kommt das Orbán-Mausoleum?


Orbán hielt eine elendslange Inaugurationsrede, in der er schon bekannte Worthülsen verschoss. Es erklangen aber auch Sätze, die noch stärker an seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit zweifeln lassen. Er will bis 2030 an der Macht bleiben, steht bis dahin auch das Orbán-Mausoleum?

Und schon fletscht er die Zähne, der Viktor.
„Vor einigen Minuten habe ich das vierte Mal den Ministerpräsidenteneid abgelegt. Dieser Eid ist ein Versprechen, ein Vorsatz und eine Hingabe. Ich versichere allen 15 Millionen Ungarn, dass mich bei jeder meiner Handlungen der Dienst an der ungarischen Sache und dem christlichen Interesse leiten wird. So wahr mir Gott helfe!

Zuerst wolle er sich bedanken, meinte er. Er bedankte sich für die Teilnahme an den Wahlen auch bei jenen, die nicht für ihn gestimmt haben. Orbán wiederholte, dass er mit der Zweidrittelmehrheit drei Dritteln dienen werde.
„Die Heimat kann nicht in Opposition sein, denn sie steht weit über den Parteien.“ […]
In Richtung Opposition richtete er folgende Worte: „Ich werde nach den Regeln der Ritterlichkeit kämpfen, doch bei Diskussionen lassen wir und nicht den Schneid abkaufen. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ […]

„Der Streit, der Kampf ist ein natürlicher Bestandteil der Politik - vergebens sehnen wir uns nach friedlichen Übereinkünften, das kommt in der Welt der Politik nur selten vor.“ […]
"Ich werde mich bemühen, dass wir in diesem Hohen Haus, so oft wie möglich, das Gefühl haben, es sei ein Engel über uns hinweg geflogen." […]
„Die Politik ist gefährlicher als der Krieg. Denn dort wird man nur einmal getötet. Wer sich mit Politik beschäftigt, kann mehrmals auferstehen.“ […]

Ungarns internationale Lage beschrieb er folgendermaßen: Im Westen befinde sich eine „germanische Eiserne Kanzlerin“, im Osten „slawische Militärstaaten“ und aus dem Süden kämen „muslimische Massen“ auf ihrem Eroberungsfeldzug.
Über sich selber sprach er auch:
„Wenn Gott es will und wir bis dahin leben, dann erreiche ich am Ende dieses Zyklus das Gleichgewicht zwischen den Jahren in der Opposition und in der Regierung. Das bedeutet ein Unentschieden. Aber nachdem wir Sportler sind , geben wir uns mit einem Unentschieden nicht zufrieden.“
Orbán sei „frohgemut, zuversichtlich und voller Tatendran“ und er meinte: „Wir müssen eine scharfe Grenze zwischen Selbstvertrauen und Selbstzufriedenheit ziehen.“ Bescheidenheit sei angebracht, weil sich „hinter den Erfolgen immer die Gnade Gottes verbirgt: Soli Deo gloria, Gott allein sei die Ehre.“

Orbán meinte weiters, dass er für weitere 12 Jahre, bis 2030, plane. Bis dahin würden Autobahnen gebaut, die Schrumpfung des ungarischen Volkes gestoppt, es werde eine „neue ungarische Armee“ geben, ja sogar nachhaltige Energieerzeugung.
Orbán sprach vom Schreckgespenst des Verschwindens des Ungarntums. Denn die Ungarn seien „ein ganz besonderer Menschenschlag“, „die ungarische Abart des homo sapiens, die der Welt mehr gegeben als bekommen hat".
Migration werde zum Zerfall der Nationen und Staaten führen, es bleibe eine offene Gesellschaft und eine einzige europäische Regierung: „Darauf läuft das Spiel hinaus, das ist ein echter Masterplan.“
Europa müsse endlich verstehen, dass „das Zeitalter der liberalen Demokratie zu Ende ist“, weil diese ungeeignet sei, die „menschliche Würde zu schützen und die christliche Zivilisation zu erhalten“.
Schließlich meinte Orbán: „Wir brauchen die Union und die Union braucht uns.“ Die EU müsse als Bund freier Nationen bestehen und der „Fiebertraum“ der Vereinigten Staaten von Europa müsse aufgegeben werden. Die Umgestaltung der Union müsse mit einer Meinungsänderung in Sachen Migration beginnen.

Dienstag, 24. April 2018

Die "grüne" LMP und die "Soros-Söldner"

Fünf interessante Infos zur "grünen" LMP, die durch ihre nicht vorhandene Kooperation mit den anderen Oppositionsparteien für eine neuerliche Zweidrittelmehrheit von Fidesz sorgte.


1. Es hat sich herausgestellt, dass András Schiffer (der Gründer und ehemalige Vorsitzende der LMP) und Benedek R. Sallai (ebenfalls Gründungsmitglied) den LMP-Kandidaten, die in Wahlbezirken zurücktreten wollten, in denen andere Oppositionsparteien bessere Chancen hatten, mit Prozessen drohten.

2. Die Zeitschrift Figyelő, in der die "Soros-Liste" mit den "Soros-Söldnern" erschien, gehört zur Hälfte dem LMP-Vorstandsmitglied Péter Ungár (Er ist der Sohn von Orbáns antisemitischer Hof-Historikerin Mária Schmidt, der die andere Hälfte der Zeitschrift gehört).

3. Die Parteivorsitzende Bernadett Szél zeigt keinerlei Reue wegen der Fidesz-Zweidrittelmehrheit und schiebt die Schuld auf die anderen Oppositionsparteien, mit denen die LMP nicht kooperieren wollte.

4. Es wurden Schiedsverfahren durch den Ethikausschuss der Partei gegen jene LMP-Kandidaten initiiert, die zurücktraten, weil ihnen ein Erfolg der Opposition gegen Fidesz wichtiger war als der zentrale Ukas.

5. Auf einer Sitzung des Ethikausschuss wurde der LMP-Vizevorsitzende Ákos Hadházy, der die zurückgetretenen Kandidaten in Schutz nahm, von Benedek R. Sallai geschlagen, woraufhin er ins Krankenhaus musste.

Wenn man dies alles weiß, wie kann man die Initiative von Szél Ernst nehmen, jetzt alle Oppositionsparteien zur Zusammenarbeit zu bewegen?

Aber noch wichtiger ist die Frage: Was hat die LMP immer noch in der Fraktion der Grünen im Europaparlament verloren?


Quelle: http://hirhugo.hu/2018/04/24/itt-az-lmp-5-fo-bune-sokat-koszonhet-nekik-a-ketharmad/

Donnerstag, 8. März 2018

Weiß und christlich - János Lázars Wienausflug

Der ungarische Kanzleramtsminister war in Wien-Favoriten und hat einen Wahlkampffilm gedreht, in dem er die "fürchterlichen Zustände" zeigt, die in Ungarn eintreten werden, wenn die Opposition die Wahl gewinnt. Diese Aktion erinnert ein wenig an die nordkoreanischen Propagandasendungen über die USA, in denen davon gesprochen wird, dass die Leute in den USA hungern und auf den Straßen schlafen.
Das Video erschien auf János Lázárs Facebookseite, verschwand aber einen Tag später von dort, man sagte, facebook habe es als Hassposting klassifiziert und heruntergenommen. Das klingt, wenn man facebooks Zensurpolitik kennt, ein wenig eigenartig. Jedenfalls wird dadurch die Wahlkampfmaschinerie in Gang gehalten, weil schon erste Stimmen zu vernehmen sind, dass sich facebook (das Ausland) in den ungarischen Wahlkampf einmische, ja Lázár hat auch schon verlautbart gegen die "Zensur" im europäischen facebook-Hauptsitz zu protestieren. Man dürfe, wie man sehe, keine aufrichtige Meinung über die wirklichen Zustände äußern, meinte der Kanzleramtsminister und bediente damit ein wohlbekanntes rechtsextremes Narrativ. (Das Video ist inzwischen wieder online.)

Hier sei nun wiedergegeben, was János Lázár in seinem Film erzählt:


"In diesem bekannten Wiener Bezirk hat es vor 20 Jahren noch keinen Einwanderer gegeben, heute gibt es Weiße und Christen hier nur mehr im Pensionsalter. Alle anderen sind Einwanderer. In Österreich ist die Zahl der Einwanderer auf 700.000 angewachsen, viele von ihren wohnen in diesem Viertel von Wien. Hier sehen wir, wie Budapest in 20 Jahren aussehen wird, wenn die Oppositionsparteien Einwanderer nach Ungarn lassen. Wir arbeiten daran, das zu verhindern. Ich habe versucht, mich bei einigen Einwanderern zu erkundigen, wie das Leben hier ist, wie sie sich in Wien fühlen, es konnte aber keiner darauf antworten, weil keiner Deutsch sprach. Wenn Migranten ins Land kommen, entsteht, so zeigt es die Erfahrung, eine Stadt innerhalb der Stadt und die Einwanderer bestimmen das Leben der Gemeinschaft. In Wien gibt es viele Schulen, in denen man keine weißen, Wiener Kinder mehr findet, nur Kinder muslimischer Einwanderer und aus dem Nahen Osten. Diese Einwanderer-Gemeinschaften verändern das traditionelle Stadtbild vollständig. Die Straßen sind hier ganz offensichtlich schmutziger, das Viertel ärmer und es gibt viel mehr Kriminalität. Die Einwanderer haben die Umgebung an sich angepasst. Die weißen, christlichen Österreicher sind weggezogen und die Einwanderer haben die Kontrolle über dieses Viertel übernommen. In diesen Vierteln ist die Unordnung, wie ich heute gesehen habe, wesentlich größer. Es gibt viel mehr Müll auf den Straßen, Schmutz, Dreck und die wenigen Wiener, die noch hier leben, sagen, dass es hier viel mehr Kriminalität gibt und sie in Angst hier leben. Die große Frage ist, was für eine Zukunft auf uns Ungarn, auf uns ungarische Stadtbewohner zukommt. Wenn wir die Migranten ins Land lassen und sie in unseren Städten leben, wird das Folgen haben: Kriminalität, Verelendung, Schmutz, Dreck, unerträgliche Zustände in den Städten. Wenn die Migranten nach Ungarn kommen, ist so eine Entwicklung nicht zu verhindern."

Und das ganze wird noch ein wenig absurder: Jobbik, die ungarischen Rechtsradikalen, hat sich in einer Presseaussendung von der Fidesz-Propaganda distanziert.

"Jobbik hält das am Dienstagabend veröffentlichte, seither gelöschte Wien-Video des Kanzleramtsministers János Lázár, für unwürdig und nachteilig für die ungarisch-österreichischen Beziehungen. Österreich ist unser historisch, wirtschaftlich und kulturell wichtiges Partnerland, außerdem verabschiedete die österreichische Regierung gerade in der jüngsten Vergangenheit mehrere, die Einwanderung beschränkende Maßnahmen, die auch Zustimmung von ungarischer Seite fanden.
Laut Erhebungen zählt Wien zu den lebenswertesten Städten der Welt, nicht umsonst wählten viele Ungarn, die ihr Heimatland laut Premier Viktor Orbán wegen „Abenteuerlust” - laut Jobbik gezwungenermaßen - verließen, Österreichs Hauptstadt als ihren Wohnort. Die ungarische Regierung hat offensichtlich nur mehr eine einzige Botschaft an ihre Wähler: Dafür nützt sie das reale Problem der Einwanderung und verflogt kurzfristige innenpolitischen Ziele. Unter dieser Kriegskommunikation leiden auch unsere diplomatischen Beziehungen.
Die Partei Jobbik verurteilt das gegen Wien gerichtete Hetzvideo und ich entschuldige mich hierfür auch im Namen Viktor Orbáns bei den Österreichern.

Gábor Vona
Ministerpräsidentenkandidat von Jobbik"



Mittwoch, 7. Februar 2018

Ungarn wieder ganz unten auf der Liste. Diesmal beim Gesundheitswesen.



Eva S. Balogh – Hungarianspectrum - 2. Februar 2018

Das Health Consumer Powerhouse hat soeben den „Euro HealthConsumer Index“ (EHCI) für 2017 veröffentlicht und Ungarn rangiert fast am Ende der Liste von 31 europäischen Ländern. Das Land, das sich diese Ehre mit Polen teilt, liegt mit 584 von 100 Punkten auf Platz 29. Ungarn blieb sogar hinter Montenegro (623 Punkte) und Albanien (596 Punkte) zurück. Nur Rumänien, Litauen und Griechenland schnitten schlechter ab als Ungarn.

Lassen Sie mich hier wiedergeben, was die Autoren des EHCI über die Gründe für die katastrophale Entwicklung des polnischen und ungarischen Gesundheitssystems zu sagen hatten. Nachdem sie festgestellt hatten, dass diese beiden Länder „trotz guter und ausreichender medizinischer Ausbildungsmöglichkeiten und einer langen Tradition des solidarisch finanzierten staatlichen Gesundheitswesens“ bei den jährlichen EHCI-Berichten schlecht abschnitten, gaben die Autoren ihrer Verwirrung über die Gründe für die schlechten Ergebnisse Ausdruck. Schließlich stellten sie die Hypothese auf, dass sich die Regierung „in den letzten Jahren anscheinend auf eine andere Agenda konzentrierte als auf das optimale Funktionieren des Landes; auf Dinge wie die Auslöschung der freien Presse, die politische Infiltration des Justizsystems, die Ablehnung äußerst bescheidener Migrantenquoten und ein Abtreibungsverbot unter allen, außer den extremsten Umständen". Letztere Behauptung gilt nur für Polen; in Ungarn ist der Zugang zum Schwangerschaftsabbruch immer noch möglich. Der Bericht stellt weiters fest, dass „die laufenden politischen Diskussionen über grundlegende Reformen in Polen und Ungarn bisher wenig gebracht haben“ und dass „die Öffentlichkeit und die Ärzteschaft Besseres verdienen“.
Wartezeiten: Lendenwirbelsäulen-OP 416 Tage,
OP am offenen Herzen 210 Tage, Hüftprothese 271 Tage

Diese Erklärung für die Unzulänglichkeiten des ungarischen Gesundheitssystems ist zu vereinfachend. In ihrer Zusammenfassung erwähnen die Autoren jedoch einige allgemeine Aspekte erfolgreicher Gesundheitssysteme, die in Ungarn fehlen. Zu den schlimmsten Problemen im ungarischen System gehören die schrecklich langen Wartelisten. Geld in die Gesundheitsversorgung zu stecken, würde nicht automatisch zu einem effizienteren System führen. Laut EHCI gibt es „keinen Zusammenhang zwischen dem Zugang zur Gesundheitsversorgung und den Kosten“. Es sei von Natur aus billiger, ein Gesundheitssystem ohne Wartelisten zu betreiben als mit Wartelisten, behaupten sie. Und hier kommt etwas, das ungarische Gesundheitsdienstleister nur schwer schlucken können: „Das Gesundheitswesen ist im Grunde genommen eine Prozessindustrie. Wie jeder professionelle Manager aus dieser Branche weiß, sind reibungslose Abläufe mit einem Minimum an Unterbrechungen oder Unterbrechungen der Schlüssel dazu, dass die Kosten niedrig bleiben.“

Obige Feststellung ist für die meisten Ärzte sowie für rechte ungarische Politiker ein Gräuel. Als Viktor Orbán noch in der Opposition war, erklärte er nachdrücklich: „Gesundheit ist kein Geschäft“. Und ich bin mir sicher, dass die meisten ungarischen Ärzte dagegen protestieren würden, wenn man ihren Beruf als in der „Prozessindustrie“ angesiedelt bezeichnen würde. Sie lehnen sogar die Vorstellung des Health Consumer Powerhouse ab, dass die Gesundheitsversorgung von den Konsumenten bewertet werden solle. István Éger, Präsident der Ungarischen Ärztekammer, korrigierte György Bolgár, den bekannten Talksendundsmoderator heute Nachmittag im Klub-Rádió: „Wir hab mit Patienten und nicht mit Konsumenten zu tun.“
Und so humpelt das ungarische Gesundheitssystem auf unwirtschaftliche Art und Weise mit Patienten, die stunden- oder wochenlang warten und auf die Gnade überlasteter Ärzte angewiesen sind, dahin. Da sich der Berufsstand der Ärzte weigert, seine Patienten als Konsumenten zu betrachten, ist das Gesundheitssystem einfach nicht darauf ausgerichtet, die Bedürfnisse der Patienten zu befriedigen. Solange diese Haltung vorherrscht, wird sich wenig ändern.

Selbst in einem relativ armen Land ist es möglich, fast augenblickliche und dramatische Verbesserungen zu erreichen. Das Beispiel, das EHCI bringt, ist Montenegro, das innerhalb eines Jahres von Platz 34 auf Platz 25 (623 Punkte) vorrückte, indem es ein eigenes System eines offenen, transparenten integrierten Echtzeit-Gesundheitsversorgungssystems einführte, das die Wartezeiten radikal reduzierte. Oder da ist die Slowakei, die ihre Punktzahl in einem Jahr um 71 Punkte verbessert hat. Einer der Gründe für diese deutliche Verbesserung könnte die Einführung eines Systems von privaten Zusatzversicherung gewesen sein.

Die Studie ist 100 Seiten lang und geht auf fast alle Aspekte ein, die mit der Gesundheitsversorgung zu tun haben. Während Ungarn zum größten Teil entweder am unteren Ende oder in den "so-lala"-Kategorien liegt, gibt es eine Reihe von Bereichen, in denen Ungarn führend ist: Impfungen für Säuglinge und Kinder sowie Leibeserziehung in der Schule. Der Bericht ist randvoll mit Statistiken, die es wert sind, studiert zu werden.

Vergeblich suchte ich nach einer Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der EHCI in den Fidesz-Propagandamedien. Nur wenige unabhängige oder regierungskritische Medien berichteten über die tristen Ergebnisse. In der regierungsfreundlichen Tageszeitung Magyar Idők erschien am 28. Dezember der letzte Artikel über das Gesundheitswesen mit dem Versprechen, dass „im nächsten Jahr die Zahl der Menschen, die auf chirurgische Eingriffe warten, weiter reduziert wird“. Aber in einem Artikel mit dem Titel „Liebe Fidesz, nicht Soros, sondern der Sensenmann muss gestoppt werden!“ erfuhr ich, dass sich die Wartezeiten in den letzten zwei Monaten tatsächlich verlängert haben.

Péter Juhász von Együtt beschloss kürzlich, sich genauer über das Krankenhausessen zu informieren. Ein Freund von ihm, der in ein Krankenhaus eingeliefert wurde, schickte ihm jeden Tag seine Mahlzeiten (im Tausch gegen Essen von außerhalb). Das Krankenhausessen war von schlechtester Qualität und Menge und es fehlte eindeutig an Vitaminen. Juhász hat sein Experiment zehn Tage lang durchgehalten und einiges an Gewicht verloren.

Csaba Molnár, stellvertretender Vorsitzender der Demokratikus Koalíció, nutzte den EHCI-Bericht für den Wahlkampf: „Während der Gyurcsány-Regierung lag Ungarn vor Italien, Spanien und Irland, jetzt sterben die Patienten im Korridor der Notaufnahme.“ [Vor kurzem gab es einen solchen Fall.] Die Verschlechterung der Zustände in Ungarn in den letzten acht Jahren war in der Tat atemberaubend. Laut „Euro Healthcare Consumer Index 2008“ lag Ungarn von den 31 Ländern auf dem 13. Platz, gleich hinter Finnland, Frankreich, Estland, Belgien und dem Vereinigten Königreich und vor Italien und Spanien sowie 17 weiteren Ländern. Polen war damals schon auf dem Tiefpunkt angelangt.

Angesichts dieser drastischen Verschlechterung, sollte die von der EHCI-Bericht von den Oppositionsparteien viel stärker beachtet werden, insbesondere in diesem Jahr, wenige Monate vor den Parlamentswahlen. Der eklatante Unterschied zwischen 2008 und 2018 muss hervorgehoben und dem ungarischen Volk nahegebracht werden. Viele von ihnen scheinen vergessen zu haben, dass die Zeiten vor Viktor Orbán nicht so trostlos waren wie die gegenwärtige Regierung und sogar einige Oppositionspolitiker versuchen, sie darzustellen. Und nicht nur im Gesundheitswesen.

2. Februar 2018

Übersetzung von Pusztastranger