„So viel
man hat, genauso viel ist man wert“, hat János Lázár, ehemaliger
Kanzleramtsminister, der heuer in Wien war und davon berichtete, wie dystopisch es dort vor lauter „Migranten“ zuginge, vor ein paar Jahren gesagt.
Ab heute werden Menschen, die nichts haben, kriminalisiert. Ab 15. Oktober ist
nämlich das Gesetz in Kraft, das es bei Strafe verbietet, sich „dauerhaft auf
öffentlichem Grund aufzuhalten“. Razzien wurden für die kommenden Tage
angekündigt.
Wer sich
auf öffentlichem Grund aufhält und trotz Aufforderung diesen nicht verlässt,
begeht eine Gesetzesübertretung. Als „Verlassen“ gilt die Inanspruchnahme eines
Obdachlosenheims oder, wie der Gesetzgeber sich ausdrückt, wenn die Person „im
Sinne der Inanspruchnahme der für obdachlose Personen bestimmten
Versorgungseinrichtungen kooperiert“. Die Strafen wurden für das „Vergehen“ der
Obdachlosigkeit ebenfalls angehoben, jetzt kann nicht mehr nur gemeinnütze
Arbeit
vorgeschrieben werden – wurde diese nicht durchgeführt, drohte eine
Geldstrafe. Nun wird man, sollte man die gemeinnützige Arbeit ablehnen,
eingesperrt.
Geldstrafen gibt es keine mehr, doch wird man innerhalb von 90 Tagen 3x beim dauerhaften Aufenthalt auf öffentlichem Grund erwischt, wird daraus ein Fall für die Justiz.
János Lázárs neu gebautes Lustschlösschen Quelle: magyar narancs |
Geldstrafen gibt es keine mehr, doch wird man innerhalb von 90 Tagen 3x beim dauerhaften Aufenthalt auf öffentlichem Grund erwischt, wird daraus ein Fall für die Justiz.
Vor zwei
Wochen erweiterte man dann das Gesetz. Nun werden ab heute auch alle „nicht
lagerbaren“ Habseligkeiten vernichtet, die auf öffentlicher Fläche gefunden
werden. Alle Fundsachen werden demnach aufgeschrieben und geschätzt. Die „nicht
lagerbaren“ vernichtet. Laut erstem Gesetzesentwurf wäre eine Entschädigung
dafür bezahlt worden, von der aber wiederum die Lagerkosten und die Kosten für
die Vernichtung abgezogen worden wären. Vor ein paar Tagen änderte man diesen
Passus wiederum ab, demnach können nun auch Familienfotos, die sich in
schlechtem Zustand befinden, persönliche Dokumente und Heilbehelfe vernichtet
werden. Der Obdachlose muss aber nicht mehr für „Lagerung und Vernichtung“
bezahlen.
Die
Orbán-Regierung versucht sich schon seit 2011 am Verbot der Obdachlosigkeit.
Der Verfassungsgerichtshof erklärte das erste Gesetz jedoch 2012 für
verfassungswidrig. Die Stadt Budapest versuchte ebenfalls die Obdachlosigkeit
zu verbieten (hier war der Fidesz-Bürgermeister des 8. Budapester
Gemeindebezirks Vorreiter), dieses Gesetz wurde wiederum für nichtig erklärt.
Es gab einen weiteren Fall, die Stadt Kaposvár versuchte sich am selben Verbot.
Heuer aber
wurde auf Antrag des Fidesz-Abgeordneten István Bajkai die Verfassung
dahingehend abgeändert, dass man sich nicht mehr „dauerhaft auf öffentlicher
Fläche aufhalten darf“.
Morgen und
übermorgen stehen große Razzien an, die Obdachlosen sollen aus den
Innenstadtbezirken vertrieben werden und möglicherweise werden auch die
Obdachlosensiedlungen in den Wäldern der Außenbezirke geräumt.
Die
Budapest Bike Maffia, die sich die Versorgung von Obdachlosen zur Aufgabe
gemacht hat, hat in den letzten Tagen einen Leitfaden unter anderem mit
Adressen von Obdachlosenheimen verteilt, damit alle entsprechende Informationen
erhalten.
Einige „Bonmots“
zur Obdachlosigkeit von Politikern in Entscheidungspositionen, wollen wir
unseren Lesern auch nicht vorenthalten. Bereits erwähnter István Bajkai (der
sich seinen Platz im Parlament dadurch verdiente, dass er einige Jahre lang der
Rechtsanwalt der Familie Orbán gewesen ist) erklärte seinen Initiativantrag zur
Aufnahme des Obdachlosigkeitsverbots in die Verfassung
folgendermaßen: „Unter
uns gesagt, machen die Obdachlosen es einem sehr schwer, die Stadt [Budapest] als
Zuhause zu sehen.“ Außerdem sei Budapest nicht nur einfach ein Zuhause, sondern
das geistige, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Ungarns, ja des gesamten
Karpatenbeckens.
Die Budapest Bike Maffia in Action Quelle: index.hu |
Atilla
Fülöp, Staatssekretär für Soziales und Gesellschaftsentwicklung meinte: „Das
abgeänderte Gesetz ist im Interesse der gesamten Gesellschaft und der Zweck
ist, dass keine Obdachlosen auf den Straßen schlafen und die Bürger ungestört
die öffentlichen Flächen benützen können.“ Insgesamt würden 950 Mio. Forint
(ca. 3 Mio. Euro!) für die Versorgung der Obdachlosen im ganzen Land
ausgegeben, da die „Gesichtspunkte der Menschlichkeit“ für die Regierung sehr
wichtig seien.
Derzeit
gibt es laut Schätzungen von NROs rund 30.000 Obdachlose in Ungarn für die ca.
11.000 Plätze zur Verfügung stehen.
István
Tarlós, Budapester Oberbürgermeister, meinte heuer im Zusammenhang mit der
Obdachlosigkeit, dass niemand in Budapest im Freien schlafen müsse, weil er
keinen Platz in den Unterkünften finde.
Orbáns
Ex-Rechtsanwalt, der schon erwähnte Bajnai, meinte noch im Juni, dass heute in
Ungarn alle Voraussetzungen gegeben seien, dass man nicht obdachlos sein müsse.
Es gebe viele Unterstützungen von Seiten des Staates und der Gemeinden, eine „riesige
Zahl an Unterkünften“, die Tag und Nacht geöffnet seien, außerdem „ein
außerordentlich erfolgreiches Arbeitsprogramm der Regierung. Jeder Obdachlose
könnte arbeiten gehen und mit dem Verdienst sein Leben in Griff bekommen und
für eine eigene Unterkunft sorgen.“
[81.530 HUF (263 EUR brutto) ist der
Verdienst pro Monat, die Wartelisten für das Arbeitsprogramm sind lang.]